Dr. Ottilie Lemke
Aus der Stauferzeit
1. Teil

Hie Waibling

Pas d'amour. Pas de gloire.
L'extase encore d'avoir chanté.

Charles-Théophile Féret



Kaum ein Menschenalter war es her, dass Kaiser Rotbart und sein Vetter, den sie den Löwen nannten, die Welt in Atem hielten. Noch lebte mancher, der sie gekannt. Des Kaisers Kreuzzugsheer, zahlreich und prächtig, wie dergleichen noch nicht gesehen worden und nicht wieder zu sehen sein würde, war unvergessen, zumal in den Siedlungen, welche die großen Heerstraßen säumten. Und wer dabei gewesen, wer kämpfend mitgezogen war und das Glück gehabt hatte, von seinen Wunden geheilt, mit Herzog Friedrich zurückzukehren, konnte seinen Hörern nicht genug erzählen von den Wundern des Orients mit den braunen Männern und verschleierten Frauen. Andere waren mit dem großen Welfen nach Osten gezogen, hatten Hieb und Stich von slawischen Waffen erhalten und zuletzt vom Herzog ein Lehen. Der alte Ruf „Hie Welf - hie Waibling", friedlicher als einst, durchzog noch manch Gespräch, wo in den Herbergen von Mitteldeutschland Nord und Süd sich traf.

Jetzt war aus jedem Haus wieder ein Spross herangewachsen, Otto von Braunschweig, der Sohn Heinrichs des Löwen, und Friedrich von Hohenstaufen, der Enkel Barbarossas, der eine im Norden, der andere tief im Süden des heiligen Römischen Reiches.

Die Gegend, da die Burg des jungen Welfen lag, bot durch ihr offenes Gelände den rauhen Winden aus Nordosten freien Einlass. Doch nur umso traulicher saß man am hohen Kamin innerhalb starker Mauern, die im Winter der Kälte und in dem kurzen Sommer der Hitze trotzten. Kostbarer Zierrat und schwere Teppiche schmückten Getäfel und Wände, und das Auge der Burgherrin wachte über der Ordnung in den Gemächern und der Zucht unter dem Gesinde.

Im Kaiserpalast von Palermo, der die Kindheit des Staufern sah, herrschte weder Ordnung noch Sauberkeit. Die weiten Räume, von Mäusen durchraschelt, von Moskitos durchsummt, lagen ohne Pflege da mit geringer Fahrnis in verbleichender Pracht. In Ecken und an Verzierungen wirkte die Hausspinne ihr graues Netz.

Hier entschädigte die Natur für die wenig wohnliche Behausung. Wärmender Sonnenschein unter tiefblau erstrahlendem Himmel, des Abends kühlender Seewind und in Mondnächten ein zauberhaft erglänzendes Meer, in gepflegten Gärten wie an wilden Abhängen farbenreiche Blumen und köstliche Früchte, dazu in den Bazaren an nützlichen, schönen, kostbaren und seltsamen Dingen ein Angebot, das die Wünsche des täglichen Lebens weit überstieg. Es war ein Reichtum, wie in dieser Vereinigung selten zu finden.

Friedrich kannte jeden Winkel von Palermo und hatte in Feld und Gehölz seine Versflecke und Lieblingsplätze. Zu schattiger Grotte trug das Kind sein Schüsselchen Maccheroni oder ein gebratenes Täubchen, das eine Bürgersfrau dem einsamen königlichen Knaben, für den niemand elterlich sorgte, gespendet hatte. Er dankte nicht und sorgte sich nicht. Er sprach kein Gebet und brauchte weder Gesellschaft noch Löffel oder Messer.

Die Schönheit Siziliens erfasste er immer klarer mit erwachendem Verstand. Schon früh sprach Friedrich es aus, und es blieb sein Glaube, dass es ein schöneres Land nicht geben könne. Er wurde später der Undurchschaubare, .der es außerdem liebte, bewusst rätselhaft zu erscheinen; rühmte er Sizilien, so war er aufrichtig, wie er als unbefangenes Kind gewesen. Die Liebe zur Heimat blieb der schönste Zug in seinem reichen, widerspruchsvollen Gemüt.

Meist im Freien unter bräunender Sonne, kaum von der Hitze des Mittags oder von einem Regenschauer unter das nächste Obdach gescheucht, wuchs er heran und entwickelte sich zu der Schönheit, die Jugend und Gesundheit verleihen. Von noch größerem Wert waren die Kenntnisse und Erfahrungen, die sein reifender Geist aufnahm und zu verarbeiten begann. Wie unter der Tarnkappe ging der junge König unter dem Völkergemisch von Markt und Hafen einher und lernte neben Dingen und Sprachen die Menschen kennen. Er sah, wie sie handelseinig oder -uneinig wurden. Er erkannte den Vorsichtigen und den Unerfahrenen. Er verstand die Gebärdensprache des zum Ziel gelangten Schlauen und vernahm den Fluch des Übervorteilten.

Ein päpstlicher Abgesandter, wie sie zuweilen in Palermo erschienen und ohne tieferen Einblick auch nur zu wünschen, sich gern über das Ergehen des Knaben beruhigen ließen, weihte ihn in die Kunst des Lesens ein. Von da an umgab sich Friedrich mit Büchern und saß daran bis in die Nacht. Er las Natur- und Reisebeschreibungen, Gesetzesvorschriften, Astronomie und was irgend in Urkunden und Dokumenten von Vergangenem überliefert war. Mit zwölf Jahren verfügte er über ein reiches Wissen und wusste in seiner Umgebung seinen Wünschen Geltung zu verschaffen. Mit dem Sechzehnjährigen begann der Papst Verhandlungen über eine Ehe. Im Jahre darauf zog Konstanze von Aragon in Palermo ein, begleitet von einer glänzenden Schar von Rittern, die sich zu Friedrichs Diensten verpflichteten. Sie waren die von dem klugen Innozenz ausbedungene Mitgift und hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.

Otto der Welfe war getreulich zum Lernen angehalten und ermahnt worden, und doch hatte der Burgkaplan wenig Freude an seinem Zögling gehabt. Otto konnte nur reiten und fechten. Er war von Gestalt groß und stark, auf Aren und Auge konnte er sich verlassen; sein unruhiger Geist war zu keiner Sammlung fähig. Dass seine Kaiserherrlichkeit einmal am seidenen Faden gehangen hatte, wusste er wohl, wenn er auch ungern daran dachte und nie davon sprach. Jedoch seit er die Krone aus den Händen des Papstes und von Beatrix von Hohenstaufen das Jawort erhalten hatte, glaubte er, nichts mehr fürchten zu müssen und alles wagen zu können. Nach der Krönung kehrte er nicht zurück, sondern zog weiter nach Süden mit willigem Ohr für die Stimmen, die da raunten und rieten und nicht aufhörten zu versichern, Sizilien gehöre zu seinem Reich. Auch als in Rom die Stimmung für ihn umschlug und mit wankender Gunst an höchster Stelle zu rechnen war, ließ er sich nicht beirren. Jetzt hielt Otto Hof in Capua, und in Palermo fragte sich manch einer in Besorgnis, was die nächsten Wochen bringen würden.

Eines späten Nachmittags im Oktober des Jahres 1211 lehnte Friedrich in einem hohen Fenster seiner Burg. Er, der mit der Ausdauer eines bedeutend älteren zu arbeiten vermochte, konnte zuweilen auch in Untätigkeit das wandelnde Farbenspiel von Wolken und Wasser verfolgen.

Sinnend blickte er über das Meer. Weit am Nordufer begann der hohe Gebirgszug, hinter dem Deutschland lag mit der Burg, von der er den Namen trug. Sein Ahn hatte die Burg erbaut, als er die fränkische Kaisertochter heimführte, und dann war das Geschlecht zu Ruhm und Reichtum gelangt wie kein zweites in der Christenheit. Noch sein Vater hatte das gewaltige Imperium Romanum beherrscht, und nun war ihm nichts als Sizilien verblieben und auch nur als Lehnsgut. Aber es war das Schönste, und er würde es nimmer aufgeben. Müsste er Sizilien verlassen, so geschähe es nur um wiederzukommen, nachdem er Truppen und Anhänger gefunden hätte, wie und wo, wusste er freilich selbst noch nicht. Was ihm von den aragonischen Rittern geblieben war, nachdem ein Fieber ihre Reihen gelichtet hatte, war schreckerfüllt nach Hispania zurückgekehrt, ohne dass er die Macht gehabt, die Treulosen zu halten. -

Die tiefe Stille unterbrechend, klatschte Friedrich laut in die Hände. Ein Sarazene erschien und erhielt auf Arabisch den Auftrag, Seine Eminenz herzubescheiden.

Seine Eminenz, der Erzbischof von Palermo, kannte König Friedrich seit dessen frühester Kindheit und hatte sich oft bemüht, Vaterstelle bei dem Verwaisten einzunehmen. Gar manches gefiel ihm nicht an dem wild Aufwachsenden, aber größer als Missfallen und Unzufriedenheit waren seine Verehrung und Bewunderung. Er fühlte sich sehr bald nicht mehr am Platze mit seinen Belehrungen und hatte daher beschlossen, mit Ratschlägen zurückzuhalten, aber Friedrich ließ nicht ab, ihn jedenfalls um Rat zu fragen. Erzbischof Berard konnte sich eines Seufzers nicht erwehren, ehe er vor dem König erschien.

„Eminenz", rief ihm Friedrich entgegen, „wollet Euch setzen, und alsdann sagt mir: Wohin soll ich fliehen, nach Byzanz oder nach Karthago?"

Berard erfüllte nur die erste Aufforderung und wartete das Weitere ab. Als Friedrich beharrlich schwieg, ihm die Antwort also nicht zu erlassen gedachte, fragte er ungläubig und mit geringer Teilnahme, wann die Flucht vor sich gehen solle.

„Nicht heute, und ich will hoffen, auch nicht morgen; ich muss zuvor besiegt sein oder doch in nicht geringer Gefahr."

Jetzt bat der geistliche Herr um eine Erklärung.

Da sagte Friedrich unter knabenhaftem Lachen: „Ihr wisst also nicht, dass Ohm Philipps Gegenkaiser Italien durchzogen hat und nun in Capua befiehlt und empfängt, als wäre es seine Pfalz?"

„Wer wüsste das nicht", gab Berard gereizt zurück, „nachdem sich jedoch in den letzten zwei Jahren wenig geändert hat, sollte man meinen, Otto sei nun zufrieden."

„Zufrieden, Eminenz, bin i c h , wenn er mir mein Sizilien lässt. Er hat doch all meine Vorschläge abgewiesen. Auf den ganzen übrigen Besitz meines Vaters hab' ich verzichtet. Schätze hab' ich ihm versprochen. Oder sind ein paar tausend Pfund Silber nicht Schätze zu nennen?"

„Wo soll dieses Geld herkommen, König Friedrich?"

„Das werde ich mir überlegen, wenn Otto auf Verhandlungen eingeht; so lang er ablehnt, kann ich noch viel versprechen."

Berard machte nicht mehr im Ernste mit. Er dachte, mit gelindem Spott den Übermut des jungen Menschen zu treffen und fragte lächelnd: „Also eine Niederlage bereitet Ihr vor?"

Friedrich sah über die Absicht hinweg. „Da brauche ich nichts vorzubereiten. Es kann auch anders kommen, Allah ist groß. Nur werde ich mir nicht jetzt schon überlegen, was ich nach einem Siege zu tun gedenke; dann werde ich voraussichtlich Zeit haben. In Gefahr muss ich schnell handeln."

„Lauteten nicht die letzten Nachrichten günstig, die uns aus Deutschland erreichten?"

„Gewiss! Die Staufer sind nicht vergessen. Ich kann sagen, mein Anhang wächst. Nur, was nützt mir dieser, oder was nütze ich meinen Anhängern, wenn ich mich in der Gewalt von Kaiser Otto befinde. Und darum muss ich fliehen, sobald das erste verdächtige Segel vor den Liparischen Inseln gesichtet wird." Berard hatte verstanden. Doch schon gab ihm Friedrich neue Rätsel auf: „Ja, wenn die Welfen den Landweg nähmen, um von Apulien überzusetzen. Da würden sie nicht weit kommen." Auf dem Festland habe er Verbündete, die imstande seien, auch ohne Führung einen Feind aufzuhalten, sie hätten die besten Waffen, Hörner und Hauer.

Das erste verstand Berard falsch, das zweite gar nicht. Es währte eine gute Weile, bis Friedrich erkennen ließ, dass er die wilden Büffel und das Schwarzwild des kalabrischen Gebirges meinte.

Eine Schaffnerin trat ein, um mit dem Edelknecht, der den Dienst bei der Königin versah, die Abendmahlzeit aufzutragen. Berard sah das Ende der Besprechung mit Befriedigung voraus. Da hieß Friedrich die Dienerin seiner Gemahlin ausrichten, sie möge ohne ihn speisen.

„Kommt, Eminenz", entschied er, „wir lassen uns auf der Galeere ein Mahl nach unserem Wunsch bereiten." Er prüfte nicht zum ersten Mal, ob die Galeere, die fahrtbereit im Hafen lag, mit Proviant versehen sei.

Während Königin Konstanze ein einsames Mahl verzehrte, um sich bald wieder zu ihrem Säugling zu begeben, schritten die beiden Männer über den eiligst hinüber geworfenen Steg und saßen bald darauf vor gebratenem Fisch und leichtem Wein. Der Capitano, den man aus der Osteria geholt hatte, entging seiner Zurechtweisung nicht. Es half ihm nicht, dass er Schüsseln, Kannen und Brot durch einen Ruderer in die Kajüte schickte. Er stand beschämt vor dem jungen König, den er an Größe und weitaus an Körperkraft übertraf, und war froh, stillschweigend kehrt machen zu können, als er zwei berittene Boten heransprengen sah, die sofort die Aufmerksamkeit des Königs fesselten.

„Nachricht aus Capua!" Fast entrissen wurden den Überbringern die Briefe. Berard nahm die mündlich zu bestellenden Grüße entgegen und sorgte, dass die Getreuen bewirtet wurden. Friedrich las. - -

„Schickt ein Dankgebet zum Himmel, das könnt Ihr besser als ich", sagte er, indem er Berard zwei Briefrollen reichte.

„Wie steht es mit Euren Studien der deutschen Sprache?" fragte dieser, nachdem er gelesen. „Das Buch, das ich Euch gab, ist lesenswert."

Friedrich, der kaum warten konnte, bis die Mahlzeit beendet war und sie sicher allein sein würden, gestand, dass er noch nicht weit in dem schweren Buch gekommen sei. „Es fing so schön an", sagte er, „mit einem Falken, nun meinte ich, der Falke würde auch geflogen kommen und der böse Traum wie immer sein Gegenteil bedeutet haben. Es war aber nicht mehr die Rede davon. Da hab' ich das Buch weggelegt."

Kaum waren sie in breiter, einsamer Talmulde auf ihrem Rückweg, so sprach er's aus: „Otto bricht auf, in Richtung Norden! --- Und was soll man davon halten?"

„Nun ja, ein Rückzug aus Italien ist nicht erstaunlich, wenn doch die Gunst des Papstes verscherzt ist und die Unzufriedenheit im Reiche wächst."

„Das sind Ereignisse des Sommers", sagte darauf Friedrich mit Heftigkeit. Dann hätte er schon lang abziehen können. Ich sage Euch, er hat auf die pisanische Flotte gewartet, weil er doch keine Schiffe hat. Wenn er jetzt seine Pläne ändert, so ist's, weil Pisa abgefallen ist. Die starke Pisa mit ihrer Flotte, die der von Venedig gleich kommt, steht auf meiner Seite!" Und stehen bleibend schlug er vor: „Was meint Ihr, wir kehren um, besteigen mein Fahrzeug und stechen in See nach Pisa..." In einer Mischung von Wagemut und übermütigem Scherz begann er, einen kühnen Plan allein auf Grund des günstigen Anscheins zu entwickeln, bis Berard einwarf, man sollte doch nichts versuchen ohne Fühlungnahme mit dem mächtigen Innozenz. „Ihr habt recht", sagte Friedrich schneller fortschreitend bei schwachem Lichtschein aus vereinzelten Hütten, ,;das Zerwürfnis mit Rom ist in Ottos Schutzmauer die Bresche, an der ein Sturm Erfolg haben kann."

Friedrich ließ nicht ab, Pläne zu schmieden, obwohl der Abfall der Pisaner sich nicht bestätigte. Er wusste, dass er nichts von allem ausführen konnte, was ihn mit einem Male lockte, nachdem er bisher nur um Sizilien gebangt hatte. So bewahrte er seine Besonnenheit und lachte am Ende über sich selbst.

Jedoch nicht lang, so war er nicht mehr auf geheime Nachricht angewiesen. In Bamberg hatten sich deutsche Fürsten als Gegner des Welfen erklärt. In noch größerer Anzahl waren sie kurz darauf in Nürnberg zusammengekommen. Da erschienen in Palermo vorausgeschickte Boten des Gesandten vom Nürnberger Fürstentag, um einen Empfang bei König Friedrich nachzusuchen. Entgegen reiten wollte Friedrich dem deutschen Herrn, begleitet von Berard als Dolmetscher, und wo er ihn träfe, auf Markt oder Straße, erfahren, was man in Deutschland mit ihm im Sinne habe. Die Königin hielt ihn zurück. Es müsse ein feierlicher Empfang in festlich geschmücktem Saal bereitet werden. Sie hätte ihren Gemahl gern in einem der byzantinischen Prunkgewänder gesehen, die sich noch aus des großen Roger Zeiten in tiefen Truhen befanden. Da aber wehrte er ab. Nur eine buntseidene Dalmatika, die sein schlichtes Wams verhüllte, ließ er sich an dem großen Tag um die Schultern legen, und ihren Goldreif durfte ihm Konstanze auf die gebräunte Stirn drücken. An seiner Seite thronte sie in kostbarem Gewand und Geschmeide. Das schwarze Spitzentuch ihrer Heimat rahmte ihr schönes Antlitz unter den dunkeln Flechten lieblich ein und hob den Gegensatz zu ihrem blonden Gemahl. Ihrer Pflichten als Königin von Sizilien war sie sich wohl bewusst. Neue Pläne machten sie bang.

Die Unterredung wurde in drei Sprachen geführt. Der Gesandte, ein schwäbischer Ritter aus dem edlen Geschlecht derer von Justingen, sprach noch weniger italienisch als Friedrich deutsch. Ein deutscher vornehmer Kleriker und der Erzbischof von Palermo übertrugen die Worte ihrer Herren ins Lateinische.

Was aber besprochen wurde, war Friedrichs Aufbruch nach Deutschland, wo ihn eine große Zahl getreuer Vasallen erwarte. Konstanze vernahm mit immer freundlicherem Lächeln die italienische Antwort. Mit großer Ruhe hörte Justingen den Bescheid des Königs an, den Berard bekannt gab.

Der König preise sich glücklich, in der Heimat seiner Väter erwartet zu werden. Er wisse es wohl zu schätzen, dass er in Deutschland keinen Lehnsherrn über sich haben würde wie hier in Sizilien. Er bitte Herrn von Justingen, den Fürsten seinen Dank zu bestellen. Ferner meine der König, die Fürsten seien nach ihrer Beratung doch zu schnell aufgestanden, es sei noch zu überlegen gewesen, wie man es ihm ermögliche, die Ehre, die man ihm zugedacht, auch anzunehmen. Ob Herr von Justingen recht viel Geld mitgebracht habe. Er wolle ja alles zurückgeben und mehr, als er empfangen habe, wenn er erst Kaiser sei. Jetzt sei er nur ein armer König und könne nicht kommen.



Justingen bewahrte seine Ruhe. Unter seiner Begleitung entstand eine Bewegung des Bedauerns und Unwillens. Das freundliche „Ecco" der Königin blieb wirkungslos.

Berard fuhr fort: Damit aber der deutsche Herr den weiten Weg nicht umsonst zurückgelegt habe, möge er in Sizilien verweilen, so lang es ihm beliebe, und wenn ihm etwas gefalle, das er brauchen könne, so solle er es sagen, damit der König die Freude habe, es ihm zu schenken.

Und nun dürfe er wohl vom Thronsessel heruntersteigen, fragte Friedrich, als Berard seinen Bericht beendet hatte. Die Herren möchten mitkommen, er wolle ihnen zeigen, wo sie wohnen sollten, und er werde Sorge tragen, dass ihrer Bequemlichkeit nichts ermangele.

Die Deutschen fanden es nicht gar zu behaglich zwischen den hohen Wänden und undicht schließenden Fenstern und Türen. Vergebens sahen sie sich um nach einem Kamin und mussten sich des Abends mit der Wärme begnügen, die allmählich von den Wachskerzen verbreitet wurde. Vielleicht hätte ihnen nicht gar zu viel gefehlt und sie hätten ihr Augenmerk mehr auf Schönheit und herzlichen Willkomm gerichtet, wäre nur der König nicht so entschieden ablehnend gewesen. Justingen allein blieb unerschüttert in zuversichtlicher Stimmung.

„Der Knabe wird sich unsere Frage und seine Antwort noch überlegen", meinte er, „er hat mir gefallen in seinem derben Leinen, das zu verhüllen er sich gar keine Mühe gab. Am liebsten hätte ich ihm unter die Arme gegriffen und ihn ganz hoch gehoben, wie ich es daheim mit meinen Buben mache."

„Der Knabe' hat einen Sohn", sagte der Marschall mit Nachdruck. „Und hat ihn uns nicht einmal gezeigt", ergänzte ein anderer.

„Er weiß es noch nicht zu schätzen, dass er einen leiblichen Erben besitzt, so wenig, wie er noch den Vorteil unseres Angebots erkennt." Dem neu entstehenden Unwillen steuernd fuhr Justingen fort: „Lasst mich nur erst über Rom und meinen Aufenthalt im Lateran berichtet haben, vielleicht bei der Tafel. Davon hat er noch nichts gehört. Ich habe mit Überlegung eine hohe Karte zurückbehalten."

Sie erlebten in herrlichem Dom wenig eindrucksvolle Feiern an den Weihnachtstagen und am Epiphaniasfest, dazwischen aber eitel Freude, Gelage und Lustbarkeit zur Feier von des Königs Geburtstag. Die Bedeutung des Tages war in ganz Sizilien bekannt. Wo immer der König sich zeigte, wurden ihm Glückwünsche entgegengebracht. Es war eine noch in keinem andern Herrschaftsgebiet angetroffene Sitte. Wenn sie anfangs gemeint hatten, der junge Herrscher habe noch viel zu lernen, so fanden sie bald mancherlei, das man auch von ihm lernen könnte.

Die erstrebte Antwort erreichten sie nicht und waren schließlich bei ihrem oft hinausgeschobenen Aufbruch froh, in Rom bestellen zu dürfen, der König wisse das Wohlwollen des Papstes zu schätzen und werde sich bei seinen Erwägungen davon mitbestimmen lassen.

Gegeben zu Rom im Jahre des Herrn 1212 im Monat April.

Seit wir Euern Schleier uns zum Abschiedsgruß im Winde flattern sahen, während derselbe Wind unsere Segel schwellte und unsern Kiel die Wogen durchschneiden, machte, habt Ihr, Frau Königin, von Euerm hohen Gemahl, wie auch von dem Schreiber dieses Briefes, Euerm Diener Berard, nichts vernommen. Denkt darum nicht, dass wir Euer vergessen hätten. Unserer Treue möget Ihr versichert sein.

Damit ich jedoch in Ordnung einen Bericht über unser Ergehen erstatte, so will ich der Reihe nach die Begebenheiten der letzten Wochen erzählen.

Der günstige Wind, mit dem wir im Monat März, wie Ihr wisst, in See stachen, wurde heftiger. Bei der Insel Lipara befanden wir uns in einem nicht geringen Sturm. Doch hatte der Capitano rechtzeitig die Segel reffen lassen. Die Ruderer führten uns mit sicherem Arbeiten, das nach seinem Taktschlag erfolgte, durch die Wellen. Ich stand lange am Bug. Das erregte Meer, das seine Wogen türmte, war ein erhebender Anblick, wohl geeignet, tiefe Gedanken im sonst so leichten Sinn des Menschen zu erwecken. Als der Sturm sich legte, näherten wir uns wieder der Küste. Im Schimmer der Morgenröte sahen wir Amalfi und später Neapel auftauchen. Von einer Landung sahen wir ab; der König wünschte, so lange es nur unsere Vorräte erlaubten, ohne Aufenthalt weiter zu schiffen. So legten wir erst bei dem treuen Gaeta an, wohin geheime Boten mit der Nachricht von unserer Ankunft gesandt worden waren. Nun hatte dort der Rat Wachen gestellt, die, am Hafen verteilt, Tag und Nacht unsere Ankunft erwarteten. Kaum hatten wir angelegt, so gaben zwei Gaetaner die vereinbarte Losung. Sie brachten uns die Kunde, dass die pisanische Flotte vor Astara gesehen worden sei und dass man vermute, sie befinde sich auf der Suche nach König Friedrich. Mir war es sogleich klar, dass wir uns in großer Gefahr befanden. Der König fühlte sich beruhigt durch die Bestätigung über den Abzug der Welfen. Bald aber hielt auch er es für geraten, dass wir das Schiff verließen und vom Angebot der Gastfreundschaft der Stadt Gebrauch machten. Doch mussten mir uns verborgen halten. Daher wagten wir auch nicht, einen Boten mit einem Brief zu entsenden. Länger als wir mutmaßten, hat diese Zeit der Unruhe und Besorgnis gedauert. Jetzt atmen wir auf und danken Gott für unsere Errettung aus Angst und Sorge. Wir befinden uns seit einigen Tagen in Rom und können uns nach anfänglicher Ungewissheit der Hoffnung hingeben, dass alles sich zum Guten wenden werde und wir unsere kühne Fahrt fortsetzen können. Nachdem ich bei allen Unterredungen zugegen war, habe ich den Eindruck, dass Papst Innozenz uns wohl gewogen ist. Es ist wahrlich eine große Ehre für mich, das Vertrauen des Königs zu besitzen und Gefahren wie glückliche Umstände teilen und miterleben zu dürfen.

Ich möchte die Rolle noch nicht zum Abschicken fertig machen, da vermutlich der König selbst Euch noch einiges wird mitteilen wollen.

Seine Eminenz hatte lang an der Abfassung des Schreibens gearbeitet, das endlich der Königin die erste Nachricht von dem entfernten Gemahl bringen sollte. Und nun musste der Brief noch einmal geschrieben werden, denn es erwies sich, dass Friedrich seiner Gemahlin nichts mitzuteilen hatte und somit die Bemerkung unzutreffend und unpassend war.

Ein zweiter Brief in fließendem Latein war schneller fertig gestellt. Er war an Berards Vertreter gerichtet und lautete:

Berard grüßt seinen Bruder in Christo. Ich hätte dich nicht erst in letzter Stunde durch einen eiligen Boten an meine Stelle beschieden, wäre ich mir früher darüber klar gewesen, dass es Friedrich ernst sei mit seiner Abenteurerfahrt. Anders kann ich das nicht nennen, was wir in diesen Wochen durchgemacht haben. Die Seereise war die schlimmste, die erlebt zu haben ich mich erinnere.



Vor Lipara war ich krank. Auf Anraten des Capitano versuchte ich, an Deck zu bleiben. Jedoch nicht lang, so musste ich mich, auf zwei Ruderer gestützt, in die Kajüte begeben, wo ich halb ohnmächtig liegen blieb. Friedrich suchte mich auf, um sich nach meinem Befinden, das er sich „bei dem prächtigen Wetter" nicht erklären könne, zu erkundigen. Er tat es aber in einer Weise, die meinen Seelenzustand und damit auch mein körperliches Befinden eher verschlimmerte. Als ich mich durch den Genus von hinreichend Turiner Wermut einigermaßen erholt hatte, sah ich Amalfi und das lockende Neapel auftauchen und verschwinden. Ich sehnte mich nach einer Nachtruhe auf festem Lande; allein, Friedrich wollte, so lange unsere Vorräte reichten, von einer Unterbrechung unserer Fahrt nichts wissen. Erst Gaeta liefen wir an. Hier setzte er uns leichtsinnig der höchsten Gefahr aus durch sein Verbleiben auf der Galeere. Wir konnten uns der Erkenntnis nicht verschließen, dass sich von den Pisanern gedungene Häscher im Hafen herumtrieben. Fragwürdige Gestalten suchten unter den frechsten Vorwänden die Galeere zu besteigen. Die Wächter, die das treue Gaeta uns gestellt hatte, durften sich nicht als unsere Bedeckung zu erkennen geben, um uns nicht zu verraten. Wie bangte ich um Friedrichs Leben!

Als wir endlich in einer Neumondnacht das Fahrzeug verließen, wollte er nichts von unserem Gepäck mitnehmen und schwor, die Menschen hätten viel weniger nötig, als sie brauchten. Wie aber, frage ich, könnten wir hier in der ewigen Stadt, zumal im Lateran würdig auftreten, hätte ich nicht für wenigstens ein Feierkleid Sorge getragen.

In Gaeta hielten wir uns einen ganzen Monat verborgen. Die Pisaner, die nicht weit von Astara vor Anker lagen, hofften offenbar, die verdächtige Galeere das offene Wasser gewinnen zu sehen, um sich alsdann auf sie zu stürzen, ein Unternehmen des Admirals, der sich den versprochenen Preis nicht wollte entgehen lassen. Unser Capitano hatte Befehl, ihn abzulenken und nach Sizilien zurückzukehren. Während die Galeere eines Abends südlich vor Gaeta kreuzte, verließen wir in nördlicher Richtung die Stadt und erreichten unter Führung treuer Gaetaner die Straße, auf der wir glücklich nach Rom gelangten. Die Stadt der Städte öffnete uns bereitwillig ihr südliches Tor, die Porta St. Pauli.

Als der Herr Papst, dem wir unsere Ankunft schuldigst gemeldet hatten, uns die Stunde wissen ließ, da er uns empfangen wollte, meinte ich aufatmen und wieder ruhig schlafen zu können. Jedoch ich glaube, Ruhe wird nie jemandem beschieden sein, der je zur Umgebung Friedrichs gehören wird. Ich könnte mich fragen, womit ich eine Strafe des Himmels verdient habe. Eine Gnade ist die Begleitung auf dieser Reise nicht zu nennen.

Am Vorabend des Empfangs im Lateran befand sich Friedrich in einem Zustand nicht zu beschwichtigenden Zorns über alles, was in seiner Kindheit versäumt worden und an Unrecht geschehen sei.

„Morgen werde ich vor Innozenz hintreten", erklärte er, „und werde ihm sagen: Wenn du mir ein anderer Vormund gewesen wärest, dann fände ich nicht das halbe Krongut verschleudert, dann säßen nicht die sizilianischen Barone in ihren neuen festen Burgen, die zu bauen ihnen niemand erlaubt hat, dann wären nicht meine Kassen leer, dann brauchte ich nicht überall, wo ich bin, um Almosen zu bitten, damit ich wieder ein paar Milieu weiter ziehen kann, arm und abgerissen wie ein Bettler'. Ihr sollt sehen, das sage ich." Ach, mein Freund, ich habe in der Nacht kein Auge zugetan.

Sei es nun, dass er nur sein Herz hatte erleichtern wollen, sei es, dass er wirklich die Absicht gehabt hatte und sich eines besseren besann, beim Empfang küsste er den Ring des Papstes und leistete den Lehnseid für seinen Sohn, den König von Sizilien. Dann sagte er: „Nächst Gott danke ich Euch, was ich bin." Darauf sagte Seine Heiligkeit: „Wir wollen noch mehr aus Euch machen." Du kannst dir denken, dass ich erleichtert war. Am selben Tage wünschte der Papst mich allein zu sprechen, wie er mir weniger durch Worte als durch Zeichen zu verstehen gab, die aber wohl von Friedrich verstanden wurden. Er sagte mir in der Unterredung ganz offen, dass er lieber den jungen Vater als König von Sizilien und somit als seinen Lehnsmann wüsste statt des noch nicht einjährigen Sohnes. Dies sei das einzige, das nicht seine volle Zustimmung habe. Dann sprach er sich ausführlich und sehr zufrieden darüber aus, dass Friedrich nicht in staufischen Überlieferungen groß geworden sei, und wollte zuletzt wissen, wie der König zu dem Entschluss des Aufbruchs gekommen sei, nachdem er sich zunächst entschieden ablehnend gezeigt habe. Ich konnte nur sagen, dass Friedrich sehr lange gezögert und dann sehr lange geschwiegen habe. Alsdann - so erzählte ich der Wahrheit gemäß - als uns der deutsche Gesandte mit seinem Stab schon verlassen hatte, kam er eines späten Abends zu mir, als ich eben der Ruhe pflegen wollte, wie er denn meistens zu ungelegener Stunde meiner bedarf, und fragte mich etwas, das er wusste, nämlich was die ersten Kreuzfahrer in Clermont gesagt hätten. Als ich ihm den Gefallen getan und das glaubensvolle Wort wiederholt hatte, rief er aus: „Gerade so ist es heute. Gott will es, und Gott weiß auch, wie meine Fahrt verlaufen wird, denn er hat alles selbst bestimmt." Diesen Glaubenssatz, den Friedrich zugleich mit seiner Kenntnis des Arabischen aufgenommen hat, habe ich vor Innozenz nicht wiederholt, wie du verstehen wirst. Ich wies nur hin auf sein Vertrauen in Gottes Hilfe, und ich glaube, das hat dazu beigetragen, den Mächtigen uns gewogen zu stimmen. Die ehrenvollen Titel, die er uns verliehen hat, sind noch von geringer Bedeutung. Doch leistet er uns auch tatkräftige Hilfe. Wir sind seine Gäste. Er rät uns, zu Schiff weiter nach Genua zu reisen, um so weit wie möglich den Landweg zu vermeiden, der je näher der Lombardei um so gefährlicher werde. Und er unterstützt uns mit Geld. Dieses haben wir sehr nötig.

In meiner Hoffnung, nunmehr zurückkehren zu dürfen, sehe ich mich getäuscht, kann dich also der dir übertragenen Mühen noch nicht entheben. So walte denn an meiner statt, lieber Bruder, und sei meines Dankes versichert. Bei Klagen und Streitfällen vertröste die Supplikanten auf meine Rückkehr. Den Empfang meines Briefes gib bekannt. Bei allen Mitteilungen Eindruck und Folgen zu überlegen brauche ich dich nicht zu ermahnen. Zumal manches, was ich über den König geäußert habe, bleibt zwischen dir und mir. Wir wollen nicht stolz sein auf die disciplina, die wir dem Orden verdanken, und mit ihm Geduld haben, dessen Kindheit keinen Meister fand. Friedrich ist kein Wildling, er ist ein edles Reis. Das Gute in ihm überwiegt. Und wenn man bedenkt, dass der Kaisertitel, den er nunmehr bewusst erstrebt, ihn neben einen Nero und Caracalla stellt, so muss man zugeben, dass seine Launen und ihre Auswirkungen sich in bescheidenen Grenzen halten.

Las deine Gebete uns begleiten, und möge Gott alles zum Besten wenden.

„So bald wie nur möglich", sagte Friedrich, als der Beauftragte des Papstes zu erfahren wünschte und daher zu fragen wagte, wann der König zu reisen gedenke. So solle nicht gewartet werden, bis ein besonders schönes Schiff zu mieten sei? Keineswegs, die erste Fahrgelegenheit sei die beste.

Nun, es sei ein Handelsschiff aus Jaffa auf der Rückreise nach Genua und nehme Reisende mit.

„So eilt und sichert uns zwei Kabinen. Hier ist Geld. Zahlt einen guten Preis. Nur bitt' ich, führt eine Rechnung und lasst sie mich sehn." Wie war es erfreulich, einmal nicht sparen zu brauchen. Die Rechnung wurde vorgelegt. Friedrich nahm sie ernsten Blickes entgegen, versprach, sie zu prüfen, und übergab das Blatt seinem Begleiter.

Als erwählter römischer König ging er in Genua an Land.

Das war der Rang, zu dem Kaiser Heinrich seinen damals zweijährigen Sohn erhoben hatte, den künftigen Kaiser. Beides war jüngst in Rom bestätigt worden. Innozenz, der Meister im Abfassen von Briefen und Urkunden, hatte vorbereitend und die Wege ebnend, wenn auch teils zu eigenem Gewinn, für seinen Schützling überlegt und gehandelt.

Mit großem Gepränge vor allem Volk wurde der König vom Rat der Stadt am Hafen erwartet und empfangen. In der gepflegten Pracht sommerlicher Gärten lag der Palazzo, den er bezog, in dem sich Räume auftaten für eine andere Gefolgschaft als nur einen Reisebegleiter.

Man weckte den König mit Musik, man wartete ihm auf, und manchmal gelang es, ihn zu belustigen. Jedoch sein einziger Wunsch hieß: Nun weiter, nur weiter!

Nichts kam ihm so unerwünscht wie die Mahnung des Rates, abzuwarten und Vorsicht zu üben. Die Lombardei sei noch reich an Anhängern des Welfen, und wenn sie sich auch nicht ans Licht wagten, so blieben sie doch zu fürchten. Sie lägen in Schlupfwinkeln an allen Straßen, Brücken und Pässen. Der König könne unmöglich weiter reisen, vorläufig nicht.

So musste Friedrich sich entschließen, in schöner Umgebung geduldig zu warten. Es wurde ihm besonders schwer, als er die Gewissheit gewann, dass er auf Pavia rechnen könne. Schon am Tage seiner Ankunft hatte sich ein Unbekannter ihm genähert und leise versichert, dass man den König in Pavia mit Freuden erwarte. Er hatte die Worte des Fremden für den unbegründeten Glauben eines Schwärmers gehalten und sogar die Bitte des Fremden, sich ausweisen zu dürfen, in Befangenheit eines plötzlichen Misstrauens abgelehnt. Jetzt erschien der zweite zur Sicherheit auf anderem Wege entsendete Bote mit dem gleichen mündlichen Auftrag, an dem nun nicht mehr zu zweifeln war. Doch wen immer Friedrich für den Plan der Weiterreise gewinnen wollte, ein jeder bat ihn, nicht durch einen voreiligen Schritt die Hoffnungen zu zerstören, die sich an sein geheiligtes Haupt knüpften. Nur weil er einsah, dass freiwillige Hilfe ihn weiter bringen würde als die schwachen Befehle die er hier zu erlassen vermochte, fasste er sich in Geduld.

Aber wie er aus jeder Lage den möglichen Nutzen zu ziehen wusste, so ließ er auch die Zeit des Haltes nicht ungenutzt. Er umgab sich mit einem Hof, wie man es nunmehr auch von ihm zu erwarten schien. Wenn der Erzbischof mit Besorgnis die Summe des päpstlichen Geldes zusammenschmelzen sah, sprach er vertrauensvoll von neuen Quellen, die sich erschließen würden. Hier war es, dass er einen später nicht mehr mitgeführten Baldachin herstellen ließ, der über seinem Haupt getragen wurde, wenn er, die Messe zu hören, zum Dome schritt. An vier Genueser Jünglinge, die sich zu Dienstleistungen, kaum einander ablösend, dauernd in seiner Umgebung befanden, wurde diese Pflicht als besondere Ehre vergeben. Zu Berards Beruhigung übertrug er einem Gewandschneider die Durchsicht ihrer beider Kleidung und ließ für jeden von ihnen eine pelzverbrämte Schaube arbeiten, da es in Deutschland wohl sehr kalt sein würde. Dass er im Sommer sein Ziel nicht mehr erreichen könnte, musste er sich allmählich mit Betrübnis eingestehen.

Immer heftiger, als die Tage gleichförmiger zu werden begannen, bewegte ihn der Wunsch, die Reise fortzusetzen. Am ersten Mai war er in Genua gelandet, jetzt schrieb man schon Juli.

„Ich muss die Zeit nützen, da mir der Gewaltige in Rom gewogen ist", sagte er zum Erstaunen Berards, der fest auf Innozenz vertraute, „er hat schon einen Kaiser gekrönt und verlassen, und er irrt, wenn er meint, dass ich sein folgsamer Lehnsmann bleiben werde."

Als er hörte, dass Otto auf der Harzburg bei seiner jungen Gemahlin weile, vollkommen beruhigt, nachdem einige Fürsten sich ihm wieder zugewandt hatten, und dass er gesagt habe, „der Pfaffenkaiser" werde ihm nicht bange machen, rief er aus: „Wenn du so Krieg führst, Vetter Otto, nehm' ich's mit dir auf."

Pavia hatte ihn der Treue versichert, Pavia war sein nächstes Ziel. Jetzt erschien der junge König schon mit einem stattlichen Tross.

„Wie es der kaiserlichen Erhabenheit gebührt", hatte er bei der letzten Besichtigung vor dem Aufbruch zu Berard gesagt, „schreibt der Königin, sie würde mit mir zufrieden sein."

Die Reise ging auf einem Umweg über Asti, wo die Via Fulvia erreicht wurde, die geradewegs nach Pavia führte. Hier fanden sich schon mehrmals zu beiden Seiten der Straße Schaulustige und in froher Erwartung Harrende. Aus den Gruppen lösten sich Jugendliche und marschierten mit, bis sie von den nächsten Getreuen abgelöst wurden, deren Rufe man schon von weitem vernahm.

Berard genoss den Jubel der Bevölkerung unterwegs wie am Stadttor von Pavia und alsdann den prächtigen Empfang im Rathaus als den Höhepunkt ihrer Reise, vielleicht den Höhepunkt in Friedrichs Leben. Denn nun hatte man sich dem mächtigen Mailand genähert, und Mailand war welfisch. In dem Gedanken, dass es also zum letzten Mal sein könne, erfreute er sich am Tage nach ihrer Ankunft an den Genüssen des großen Festmahls.

Auf die berühmte Paveser Suppe bezog sich das erste Sprüchlein der Bedienenden, die, wie es bei Bewirtung hoher Gäste zu geschehen pflegte, die Tafelnden zum Essen und Trinken ermunterten. Heute ermahnten sie unermüdlich, nicht Lippen und Zunge zu verbrennen, musste doch die Brühe siedend heiß über das rohe Ei gegossen werden, das in tiefem Teller auf gerösteter Brotschnitte ruhte, um sich mit dieser und der heißen Flüssigkeit vor den Augen des Gastes zu einem leckeren Eingangsgericht zu verbinden. Es folgten venezianische Austern, sodann Pasteten, von denen eine auf silberner Schüssel dem König besonders gereicht wurde. Es folgten Braten mit einer Tunke, deren Gewürze unter noch anderer Sonne als der von Pavia gereift waren, also dass die Pokale eifriger geleert und wieder gefüllt wurden. Es folgte noch Geflügel mancherlei Art und zuletzt ein so kunstvoller Aufbau erlesener Leckerbissen, dass Augenweide und Wohlgeschmack einander nichts nachgaben.

Eine noch weit edlere Augenweide bot der höfische Reigen, der den Abend füllte. Pavias schöne Damen, die ringgeschmückten Finger, die sie in das wohlriechende Wasser des dargereichten Beckens getaucht hatten, leicht in die Hand des stolzen Kaufmannssohnes oder schlanken Ritters gelegt, schritten einher, die einen in strahlender Seide, andere in schimmerndem Samt im Funkeln und Glitzern blitzenden Schmuckes.

Auch deine Menschenkinder kleidest du schön, o Herr, sagte sich Berard, und in deiner Güte auch zu ihrer eigenen Lust, nicht allein zu deiner Ehre, wie im Felde die Lilien.

Da schien es ihm, als ob der König ihm winke. Es war nur eine schwache Bewegung, und er war seiner Wahrnehmung nicht sicher. Doch nickte er leicht, damit, falls er sich nicht täusche, der König wisse, dass er verstanden habe. Dann kamen sie langsam einander näher.

Das Unheil habe begonnen, war Berards Überzeugung, als er auf Friedrichs jugendlich klarem Antlitz den Ausdruck des Schreckens erkannte. Umkehren sollte er noch heute Nacht. Dass man fast unter den Toren Mailands feiern konnte und gefeiert wurde, war genug geleistet.

„Nun, Eminenz, noch nicht müde?" wurde er vernehmlich angeredet, als er in tiefer Fensternische den König erreicht hatte. Ein Blättchen zerknittertes Pergament glitt in seine Hand. „Ich fand es in meiner Pastete", drang es flüsternd in sein Ohr.

„Herr Ritter", rief Friedrich dem Edelmann zu, der neben ihnen seine Dame an ihren Platz führte, „seid mein Bote und meldet der Tochter des Stadthaupts, dass ich mit ihr den Reigen schreiten möchte."

Mit einem beglückten „Sogleich" war der Bote entschwunden. Der König hatte den Reigen eröffnen sollen, aber zu allgemeiner unterdrückter Belustigung erklärt, dass er erst zusehen müsse. Errötend trat die erste Dame von Pavia an die Seite des hohen Gastes.

Nun war es fast wie ein Liebesspiel des Sich Trennens und Wiederfindens unter den tanzenden Paaren und in den Pausen zwischen Dienern, die, Erfrischungen reichend, den Saal nahezu füllten.

„Gelesen?" „Noch nicht."

Weiter rauschte das Fest. Von weitem ein fragender Blick, im Näherkommen ein Nicken.

Jetzt trat der König zu dem Vater seiner Tänzerin, die sich lächelnd von ihm getrennt hatte. Berard näherte sich ihnen.

„Wohledler Ratsherr" - ein würdiges Haupt neigte sich zum Dank für die huldvolle Anrede - „Ihr habt eine schöne Tochter. Wüsste ich nicht in Sizilien eine Gattin, die Jungfrau könnte mir wohl gefährlich werden. Doch seht, hier steht mein Vertrauter, Erzbischof von Palermo. So Ihr mir etwas mitzuteilen habt, wisst, dass Ihr es ebenso gut Eminenz sagen könnt."

„So bitte ich Seine Eminenz, mir zu folgen."

Statt des Befehls, den Berard darauf erwartete, sagte Friedrich sehr ernst und sehr leise: „Wollt Ihr ... an meiner statt?"

Da wandte sich Berard an den Ratsherrn, sagte höflich: „Wie es Euch beliebt, edler Herr", und war gleich darauf in dem bunten Gewoge den Blicken des Königs entrückt.

Zum ersten Mal bedauerte Friedrich, seine Gemahlin nicht in seiner Nähe zu haben. Er hätte sich zu ihr neigen mögen, um sie zu fragen, ob sie nicht auch meine, dass dem Manne nichts geschehen werde. Mir konnten sie nach dem Leben stehen, überlegte er, was nützte ihnen ein Anschlag auf einen Kleriker aus Sizilien! Sie haben mir zugemutet, mich vom Fest zu entfernen, ganz allein einem Ratsherrn in die Kriegsstube zu folgen, allwo die geheimen Beratungen stattfinden, also hinter Türen, die keinen Laut hindurch lassen und einmal geschlossen, nicht so leicht zu öffnen sind. Ich sollte eine wichtige Nachricht entgegennehmen. Das ist die Sprache des Betrügers, der die Stimme des Freundes nachahmt. Wie schlau mir die Weisung in die Hand gespielt wurde in der mir besonders gereichten Pastete! Schon allein deshalb hätte ich sie nicht anrühren dürfen. Sie konnte vergiftet sein, sie war es vielleicht. Wer war nun hier sein Freund? Er sah sich nach den Genuesen um, die ihn begleitet hatten, und war verzweifelt, als er keinen bemerkte. Trieb man mit ihnen auch ein böses Spiel? Waren sie entfernt worden, weggelockt, wie man es mit ihm versucht hatte? Und was war mit ihnen geschehen?

Es gelang ihm, seine Fassung zu bewahren. Er blieb ruhig in seinem Sessel sitzen und winkte den nächsten Tänzer herbei.

„Wollt einmal nach meinen Knappen sehen", sagte er mit ruhiger Freundlichkeit, „ich möchte mich zur Ruhe begeben."

Der Pavese eilte mit erhobener Hand zur Kapelle, hieß die Musik mitten im Takt verstummen und rief vernehmlich in den erstaunten Festsaal: „Die Knappen des Kaisers!"

Da waren sie auch schon und fragten nach seinen Wünschen. Zwei hatten ihr Weinglas stehen lassen, einer seine Dame um Urlaub gebeten, der vierte kam etwas unsicheren Schrittes langsamer herbei.

Friedrich sagte ihnen, sie sollten sich bereit halten, ihn zum Palazzo zu begleiten. Nein, genießen wolle er nichts mehr, nur die Musik wollte er wieder hören. Und dann fragte er altklug, wie es ihnen in Pavia gefalle.

Pavia, Piacenza und Cremona hatten gemeinsam beschlossen, den Kaiser sicher an Mailand vorüber zur Brenner Straße zu geleiten, von wo sich ein Weg über einen der Alpenpässe finden würde. In Chur warte seiner in der Person des Bischofs ein ergebener Anhänger.

In heimlicher Nachtsitzung erfuhr Berard den Beschluss. Er versicherte den Rat und die fremden Gesandten des Dankes und der Freude seines Herrn. Beruhigt und voller Erwartung brachte er diesem noch in derselben Nacht die freudige Nachricht.

Friedrich war müde, aufgeregt und gereizt und ließ kaum mit sich reden. Er beharrte bei der Ansicht, es sei eine Falle, die Schriftstücke, die Berard vorgelegen, könnten gefälscht sein, und auch die Echtheit von Wappen und Siegel gewähre keine Sicherheit, mächtiger bleibe Mailand. Als endlich Berard die Verteidigung aufgab und eine Untersuchung empfahl, wollte er eine Treue, die vielleicht doch hinter allem stecke, nicht durch Verdächtigung erschüttert wissen. Und immer geleert und wieder gefüllt wurden. Es folgte noch Geflügel mancherlei Art und zuletzt ein so kunstvoller Aufbau erlesener Leckerbissen, dass Augenweide und Wohlgeschmack einander nichts nachgaben.
Eine noch weit edlere Augenweide bot der höfische Reigen, der den Abend füllte. Pavias schöne Damen, die ringgeschmückten Finger, die sie in das wohlriechende Wasser des dargereichten Beckens getaucht hatten, leicht in die Hand des stolzen Kaufmannssohnes oder schlanken Ritters gelegt, schritten einher, die einen in strahlender Seide, andere in schimmerndem Samt im Funkeln und Glitzern blitzenden Schmuckes.
Auch deine Menschenkinder kleidest du schön, o Herr, sagte sich Berard, und in deiner Güte auch zu ihrer eigenen Lust, nicht allein zu deiner Ehre, wie im Felde die Lilien.
Da schien es ihm, als ob der König ihm winke. Es war nur eine schwache Bewegung, und er war seiner Wahrnehmung nicht sicher. Doch nickte er leicht, damit, falls er sich nicht täusche, der König wisse, dass er verstanden habe. Dann kamen sie langsam einander näher.
Das Unheil habe begonnen, war Berards Überzeugung, als er auf Friedrichs jugendlich klarem Antlitz den Ausdruck des Schreckens erkannte. Umkehren sollte er noch heute Nacht. Dass man fast unter den Toren Mailands feiern konnte und gefeiert wurde, war genug geleistet.
„Nun, Eminenz, noch nicht müde?" wurde er vernehmlich angeredet, als er in tiefer Fensternische den König erreicht hatte. Ein Blättchen zerknittertes Pergament glitt in seine Hand. „Ich fand es in meiner Pastete", drang es flüsternd in sein Ohr.
„Herr Ritter", rief Friedrich dem Edelmann zu, der neben ihnen seine Dame an ihren Platz führte, „seid mein Bote und meldet der Tochter des Stadthaupts, dass ich mit ihr den Reigen schreiten möchte."
Mit einem beglückten „Sogleich" war der Bote entschwunden. Der König hatte den Reigen eröffnen sollen, aber zu allgemeiner unterdrückter Belustigung erklärt, dass er erst zusehen müsse. Errötend trat die erste Dame von Pavia an die Seite des hohen Gastes.
Nun war es fast wie ein Liebesspiel des Sich Trennens und Wiederfindens unter den tanzenden Paaren und in den Pausen zwischen Dienern, die, Erfrischungen reichend, den Saal nahezu füllten.
„Gelesen?" „Noch nicht."

Weiter rauschte das Fest. Von weitem ein fragender Blick, im Näherkommen ein Nicken.

Jetzt trat der König zu dem Vater seiner Tänzerin, die sich lächelnd von ihm getrennt hatte. Berard näherte sich ihnen.

„Wohledler Ratsherr" - ein würdiges Haupt neigte sich zum Dank für die huldvolle Anrede - „Ihr habt eine schöne Tochter. Wüsste ich nicht in Sizilien eine Gattin, die Jungfrau könnte mir wohl gefährlich werden. Doch seht, hier steht mein Vertrauter, Erzbischof von Palermo. So Ihr mir etwas mitzuteilen habt, wisst, dass Ihr es ebenso gut Eminenz sagen könnt."

„So bitte ich Seine Eminenz, mir zu folgen."

Statt des Befehls, den Berard darauf erwartete, sagte Friedrich sehr ernst und sehr leise: „Wollt Ihr ... an meiner statt?"

Da wandte sich Berard an den Ratsherrn, sagte höflich: „Wie es Euch beliebt, edler Herr", und war gleich darauf in dem bunten Gewoge den Blicken des Königs entrückt.

Zum ersten Mal bedauerte Friedrich, seine Gemahlin nicht in seiner Nähe zu haben. Er hätte sich zu ihr neigen mögen, um sie zu fragen, ob sie nicht auch meine, dass dem Manne nichts geschehen werde. Mir konnten sie nach dem Leben stehen, überlegte er, was nützte ihnen ein Anschlag auf einen Kleriker aus Sizilien! Sie haben mir zugemutet, mich vom Fest zu entfernen, ganz allein einem Ratsherrn in die Kriegsstube zu folgen, allwo die geheimen Beratungen stattfinden, also hinter Türen, die keinen Laut hindurch lassen und einmal geschlossen, nicht so leicht zu öffnen sind. Ich sollte eine wichtige Nachricht entgegennehmen. Das ist die Sprache des Betrügers, der die Stimme des Freundes nachahmt. Wie schlau mir die Weisung in die Hand gespielt wurde in der mir besonders gereichten Pastete! Schon allein deshalb hätte ich sie nicht anrühren dürfen. Sie konnte vergiftet sein, sie war es vielleicht. Wer war nun hier sein Freund? Er sah sich nach den Genuesen um, die ihn begleitet hatten, und war verzweifelt, als er keinen bemerkte. Trieb man mit ihnen auch ein böses Spiel? Waren sie entfernt worden, weggelockt, wie man es mit ihm versucht hatte? Und was war mit ihnen geschehen?

Es gelang ihm, seine Fassung zu bewahren. Er blieb ruhig in seinem Sessel sitzen und winkte den nächsten Tänzer herbei.

„Wollt einmal nach meinen Knappen sehen", sagte er mit ruhiger Freundlichkeit, „ich möchte mich zur Ruhe begeben."

Der Pavese eilte mit erhobener Hand zur Kapelle, hieß die Musik mitten im Takt verstummen und rief vernehmlich in den erstaunten Festsaal: „Die Knappen des Kaisers!"

Da waren sie auch schon und fragten nach seinen Wünschen. Zwei hatten ihr Weinglas stehen lassen, einer seine Dame um Urlaub gebeten, der vierte kam etwas unsicheren Schrittes langsamer herbei.

Friedrich sagte ihnen, sie sollten sich bereit halten, ihn zum Palazzo zu begleiten. Nein, genießen wolle er nichts mehr, nur die Musik wollte er wieder hören. Und dann fragte er altklug, wie es ihnen in Pavia gefalle.

Pavia, Piacenza und Cremona hatten gemeinsam beschlossen, den Kaiser sicher an Mailand vorüber zur Brenner Straße zu geleiten, von wo sich ein Weg über einen der Alpenpässe finden würde. In Chur warte seiner in der Person des Bischofs ein ergebener Anhänger.

In heimlicher Nachtsitzung erfuhr Berard den Beschluss. Er versicherte den Rat und die fremden Gesandten des Dankes und der Freude seines Herrn. Beruhigt und voller Erwartung brachte er diesem noch in derselben Nacht die freudige Nachricht.

Friedrich war müde, aufgeregt und gereizt und ließ kaum mit sich reden. Er beharrte bei der Ansicht, es sei eine Falle, die Schriftstücke, die Berard vorgelegen, könnten gefälscht sein, und auch die Echtheit von Wappen und Siegel gewähre keine Sicherheit, mächtiger bleibe Mailand. Als endlich Berard die Verteidigung aufgab und eine Untersuchung empfahl, wollte er eine Treue, die vielleicht doch hinter allem stecke, nicht durch Verdächtigung erschüttert wissen. Und immer
wieder: „Was meint Ihr, Eminenz?" Immer von neuem Ablehnung und Widerspruch.

Und doch war von Beginn an das Ergebnis der Unterredung vorauszusehen. In Friedrichs Seele brannte der Wunsch, die Reise fortzusetzen. Als sie schieden, um bis zur Mittagstafel zu ruhen, entschied er: „Wenn Ihr denn meint, so bringt dem Rat meine Zustimmung."

Als erste Vorbereitung wurde allmählich, teils mit guten Gründen, teils unter Vorwänden der Hof entlassen. Mit besonderem Bedauern nahmen die Genuesen Abschied. Zum Glück für den königlichen Geldbeutel waren die meisten Ämter ehrenhalber vergeben worden. So bedurfte es nur einer geringen Anleihe, damit eine vorhandene Barschaft zur Entlohnung und einigen Geschenken reichte. Die nötigen Knechte zur Beförderung des Gepäcks, das man nun schon besaß und in Deutschland wieder brauchen würde, stellte aus den Reihen der Eingeweihten die Stadt, wie denn auch Verpflegung und Einstellung der Pferde ihre Sache sein würde.

Friedrich tummelte das Tier, das er besteigen sollte, und suchte sich eine schöne Schabracke aus.

„Sie kann zugleich mein Gebetsteppich sein", äußerte er in engem Kreise, „und günstig ist's, dass ich mit dem Blick nach Osten reite."

Das waren Gedanken, wie sie Berard nicht gefielen. Jedoch er schwieg; er hatte genug des Wortgefechts.

Die Wachtposten, die bald in dieser, bald in jener Verkleidung die Straße nach Piacenza zu beobachten hatten, brachten beruhigende Nachrichten. Friedrich blieb unsicher und besorgt. Dem Rat der Stadt traute er nun, vom Scharfsinn ihrer Kundschafter hielt er nichts. Er glaubte im Gegenteil, dass die Aufpasser mit ihrem unnötigen Ausfragen und plötzlichen Anrufen friedlicher Reisender leicht zu durchschauen sein würden und verhängnisvolle Vermutungen auslösen könnten.

Auch von einigen ins Geheimnis gezogenen Bürgern wurden besorgte Stimmen laut. Für alle Fälle sollten die Reisigen sich mit Rüstung und Waffen versehen. Nun waren beide, der König sowohl wie der Erzbischof, der Rüstung ungewohnt. Berard hielt sich für genügend geschützt durch ein schweres Lederkoller über Brust und Rücken. Friedrich ließ sich endlich zur Anlegung eines Panzerhemdes - im Falle der Not - bestimmen. Die kleinen hübschen Ringe, die bei jedem Schritt nachgaben, flößten ihm Vertrauen ein. Er wollte immer die Möglichkeit haben, sich durch Flucht retten zu können. Bei nahender Gefahr laufen und sich verstecken, das hatte ihn, als er noch kaum überlegen konnte, bei wehrlosem Getier die Anschauung gelehrt. Und solange er nicht ein Heer besaß mit Vorhut und Nachhut und eine Leibgarde dazu, blieb er bei seiner einfachen Taktik und nahm den Feind nicht an.

Der Monat Juli ging zu Ende. Durch mündliche Weitergabe war allen Beteiligten das Wagnis bis ins kleinste bekannt. Die Vesperglocken am letzten Sonntag im Juli, keinem Uneingeweihten auffallend, waren das Zeichen zum Aufbruch.

„Ich wollte, es wäre Abend", sagte Friedrich, als er an dem bedeutungsvollen Feiertag nach der Messe mit Berard allein war.

„Der Tag wird schnell vergehn", tröstete Berard, „Ihr werdet so viel wie möglich schlafen, König Friedrich."

Friedrich konnte nicht schlafen. Er verbrachte den Tag scheinbar ruhig in innerer Aufregung. Man hatte es ihm verheimlichen wollen, aber ein Blick auf die verlangte Karte hatte ihm gezeigt, dass bei Piacenza eine breite Heerstraße von Mailand her münde; es war eine Strecke der alten Via Aemilia. Daher sollten ja bis dahin die Cremonesen entgegenkommen. Ach, was vermochte eine Handvoll Freunde, auch wenn sie sich für ihn totschlagen ließen, gegen die Masse eines geschulten Heeres! Und ein solches konnte ungehindert auf jener Straße heranziehen. Er nahm sich vor, sich unter die Knechte zu mengen, damit er schwerer zu erkennen und nicht zu finden sei. Wenn man sich nur nicht zu viel um ihn kümmern wollte! Auf der einsamen Straße von Gaeta nach Rom ohne diesen Aufwand einer kriegerischen Bedeckung war er sicherer gewesen.

Er aß wenig und ohne Genus. Um die Vesperzeit fühlte er sich krank. Der vom Rat dazu bestellte Knappe meldete, dass es Zeit sei, sich bereit zu halten. Friedrich wusste, dass er sich am nächsten Tage nicht sonderlich besser fühlen würde, ein Aufschub also keinen Vorteil brächte, ganz abgesehen von der Schwierigkeit des heimlichen Gegenbefehls. So nahm er sich zusammen, er vermochte viel über sich selbst.

In Gruppen sollte man die Stadt verlassen, um sich im Felde zusammenzufinden und dann nahe beieinander die Nacht hindurch zu reiten. Erst wenn man zu früher Stunde des nächsten Tages den Fluss Lombro erreicht hätte, sollte zur Rast abgesessen werden. Am Lombro würde man mit den Cremonesen zusammentreffen, die an verschiedenen Stellen des Flussufers Boote und Fähren für Menschen und Tiere liegen und nach Möglichkeit versteckt haben sollten unter dem Schutz von Wachen aus Piacenza. Vor dieser Nacht und allem Schlimmen, was des Nachts eher möglich war als am Tage, fürchtete sich Friedrich. In seinem bekümmerten Herzen erwachte die Sehnsucht nach Palermo.

O mein Sizilien, reift jetzt an deinen Hängen die Traube? Steht in Garben der goldene Weizen? Senken Olive und Granate die Zweige? Kehrt noch im Morgenrot der Fischer heim in zierlicher Barke? Hast du ihn wieder reich gemacht, tiefes, blaues Meer, mit silberner Sardine, schön gezeichneter Murena und dem prächtigen Palombo und Grongo?

Die Vesperglocken ertönten in seine Gedanken. Noch nie hatten sie so schrill geklungen, die schwere Nacht wollte noch lange nicht beginnen. Wie sollte man glauben, dass sie einmal ein Ende nehmen werde!

Als die Stadt verlassen war und der Weg eintönig zu werden begann, fragte er oft, wie lange man schon geritten sei. Nach dem Stand der Sonne wie auch nach den jeweils erreichten Ortschaften konnte ihm fast jeder Bescheid sagen. Es war immer eine Enttäuschung.

Die Dämmerung fiel. Auf Bitten des Anführers, der mit Besorgnis die Mattigkeit des Kaisers wahrnahm, gesellte sich der Erzbischof zu ihm.

„Bedenkt, wie mutig Ihr sagtet Gott will es', wisst Ihr das nicht mehr?" fragte Berard freundlich.

„Ihr habt Recht, Eminenz, was immer geschieht und darum auch was uns in dieser Nacht begegnen wird, Gott hat es gewollt."

Das klang wohl gottergeben, aber es klang nicht mutig. Zu seinem Schmerz hörte Berard die Hingabe heraus, die wohl dem Ungläubigen Kraft verlieh, den Christ aber traurig machte und erschlaffte.

Wie ein Wunder erschien es Friedrich, dass wirklich der Morgen graute, dass der nächtliche Ritt überstanden war und keinen Kampf, keine Flucht, nicht den Schatten einer Gefahr gebracht hatte.



Ein jugendlicher Ratsherr, der bei der kühnen Hilfeleistung nicht hatte fehlen wollen, ritt eilfertig umher und feuerte zur Anspannung der letzten Strecke an. Die Cremonesen waren noch nicht zu sehen. Den Anführer ergriffen Zorn und Bestürzung. Immerhin, die versprochene Rast, als der Fluss erreicht war, musste er gewähren. Wie sollte man auch ohne die versprochene Hilfe den Lombro überschreiten. Er stellte Wachen auf, weil es so Brauch war. Im Grunde blieb er unbesorgt wegen eines Überfalls. Es war alles ruhig und augenblicklich nichts zu fürchten. Die Pferde ließ er, von den Sätteln befreit, die Hufe im frischen Tau kühlen. Für Verpflegung von Reiter und Tier sorgten die Marschälle. Nur schlafen durfte niemand, es musste sogar jeder die Waffen zur Hand haben.

Friedrich verspürte keine Müdigkeit. Am Abend, als andere ruhig und hoffnungsvoll gewesen, hatte er sich am Zusammenbrechen gefühlt. Jetzt war ihm seine Jugendkraft zurückgekehrt. Er stand in Panzerhemd und -haube da, und wenn er sich auch eine Scheibe getrockneten Fleisches hatte reichen und seinen Becher hatte füllen lassen, so ließ er doch nicht ab, auf seiner Hut zu sein.

Er spähte unverwandt in ein und dieselbe Richtung, die einzige, aus der die gefürchtete Gefahr drohte, und noch ehe eine Wache Meldung machte, nahm sein geübtes Auge dort, wo die Mailänder Straße verlief, eine Staubwolke wahr. Sie würde größer. Da wartete er nicht die Deutlichkeit ab, die unter teurem Zeitverlust seine Vermutung bestätigt hätte. Er führte die Spitze seines Schwertes unter die Riemen an Hals und Schulter und durchschnitt mit sicherem Griff das Leder, ließ Rüstung und Wehrgehenk am Boden, zwang sich noch einmal zur Ruhe, um sich an den Rappen heranzupirschen, der nicht weit von ihm graste, dann aber in die Mähne gegriffen, aufgesprungen und in wildestem Ritt dem Flusse zu. Er führte das Tier ruhig ins Wasser. Es trug ihn - ach so langsam - durch die Flut. Gern wäre er nieder geglitten, um weit ausgreifend zu schwimmen, aber er brauchte ja das Pferd. Er wagte nicht, sich umzublicken, er mochte das Ufer, das nicht weit von ihm lockte, nicht aus dem Auge verlieren. Er streckte sich auf den Hals des Tieres, als könnte er sich verstecken. Das Wasser umspülte seinen ganzen Körper. War der jagende Reiter wohl bemerkt worden? Die Mailänder passten sicher besser auf als seine Freunde.

Das Ufer war erreicht. Es war abschüssig, das Pferd kam nicht hinauf. Er musste versuchen, an anderer Stelle an Land zu kommen, und führte es den Fluss hinunter, die Strömung benutzend. Da war das Ufer verkrautet, er erkannte es an den herrlichen Wasserrosen. Als er von neuem das offene Wasser gewonnen hatte, bemerkte er einen Steg, wie er den Wäscherinnen diente. Dort musste eire flache Stelle sein. So war es, das Pferd hatte Grund. Noch eine kurze Spanne der Geduld, dann war er an Land und jagte geradeaus davon. Die Julisonne mochte sein Leinen trocknen.

Weit hinter seinem Rücken vernahm er Waffenlärm; es musste jenseits des Flusses sein. Er sah sich auch jetzt nicht um. Als er dichtes Fußvolk auf sich zu marschieren sah, setzte ihn der ihm ganz neue Anblick in Erstaunen. Er klopfte dem Pferd den Hals und hielt, entschlossen, je nach der Antwort auf seinen Anruf mit einer Wendung erneut zu flüchten, irgend wohin. Sein „Hurra hurra" wurde mit Freudengeschrei erwidert. So waren es Freunde. Er brauchte sich nun nicht mehr zu verstecken, hatte nichts mehr zu fürchten. Er lachte hell auf. Cremoneser Ritter sprengten ihm entgegen und wussten nicht, was sie sagen sollten vor Freude, den Kaiser zu sehen und schützend in ihre Mitte nehmen zu können, oder vor Scham und Ärger, dass nur das Zusammentreffen von Söldnern und Reitern richtig errechnet worden, dass man sich in der Hauptsache über Weg und Zeit doch getäuscht hatte.

Friedrich fragte als erstes, was geschehen solle, sobald die Feinde den Versuch machten, den Fluss zu überschreiten. Für diesen Fall sei ein Befehl schon im Zusammenhang mit dem gesamten Plan erteilt worden, erklärte der anführende Ritter. Dabei wies er auf das Ufer. Friedrich blickte hin und erkannte bewundernd einen klug ersonnenen Befehl und die Schulung der Ausführung. Angesichts der eingelegten Lanzen, mit denen das Fußvolk hart am Rande des Ufers fast in Tuchfühlung Stellung nahm, würde kein Reiter, wenn er sich schon ins Wasser wagte, den Versuch machen, sein Tier das Ufer erklimmen zu lassen. Es sei die neue Technik, sie hätten sie selbst erprobt und wüssten, dass sie die Überlegenheit bedeute.

Schon waren Cremoneser Boote auf dem Wasser, bemüht, sich in ihrem Kurs gegen die Strömung zu behaupten. Die Pavesen kamen herüber. Friedrich erkannte auch in der Ferne am Aufblitzen, das die höher steigende Sonne auf ihren Rüstungen hervorrief, die abziehenden Mailänder.

Als Berard den König wieder sah, hatte Friedrich im Cremoneser Lager eine Mahlzeit gehalten, geschlafen, im Lombro ein diesmal freiwilliges Bad genommen und lag in frischer Kleidung im Gras. Er feierte ein Wiedersehen mit seinem Wehrgehenk.

„Ich war ja gar kein Ritter ohne mein Schwert", rief er aus.

Dann ließ er sich berichten, wie der Überfall verlaufen sei. Es war nicht viel zu sagen. Einige seiner Freunde hatten ihren Hohn mit mehr oder weniger leichten Wunden von Mailänder Waffen bezahlen müssen.

„Und Ihr, Eminenz, seid mir nicht nachgekommen? Ich zeigte Euch doch, wie Ihr's machen solltet. War kein Pferd in der Nähe, auf das Ihr hättet springen können?"

„Die Zeiten sind ernst, König Friedrich."

Es war gesagt, um auszuweichen, aber Friedrich hörte einen Tadel heraus und wandte Berard scharf den Rücken.

Der Erzbischof lächelte. Er fühlte sich durch den Mutwillen verletzt. Doch warum sollte Friedrich nicht stolz sein auf seine entschlossene Tat. Und vor allem, die Niedergeschlagenheit des Vortages war überwunden.

Mantua - Verona - Trient.

Innerhalb weniger Tage war man auf dem Weg nach Chur, immer gewiesen, geleitet, beschirmt.

Der junge Staufer bewahrte bei allem Glück, das er voll begriff, Besonnenheit und Ruhe. Er hieß nun der Kaiser, und er hätte es nicht anders haben wollen. In der Unterkunft, in abendlicher Zwiesprache sagte man wohl ,;der Knabe", als ,;der Knabe von Apulien" ging er ein in die Chroniken der Zeit, hatten doch aus Apulien die ersten sicheren Nachrichten über sein Nahen ihren nicht mehr durch ein Wasser gehemmten Weg genommen; in seiner Gegenwart vergaß niemand der schuldigen Ehrerbietung. Er konnte sehr stolz dreinschauen. Er freute sich an erwiesener Ehre. Ganz ohne Einfluss auf sein jugendliches Gemüt waren seine Erfolge nicht geblieben. Er lernte täglich hinzu. Er unterließ selten zu danken, wenn man ihn ehrte, nie, wenn man ihm half, er verstand es schon, den Damen Angenehmes zu sagen. Um seinen Anzug hatte er sich früher nie anders als notgedrungen gekümmert. Jetzt galt nach Einzug und Empfang, beim Eindruck vorhandenen Reichtums die erste Frage den Gewandschneidern der Stadt. Kein Kleidungsstück war mehr beengend oder behindernd, wenn es nur modisch und königlich war. Friedrich schritt einher im hochgeschlossenen, langärmeligen, bis auf die Knöchel reichenden Rock des Edelmannes, als Gürtel behielt er Wehrgehenk mit Schwert. Der Mantel, auf einer Seite über die Schulter geschlagen, ließ den rechten Arm frei und wurde von breiter seidener Schnur, deren Enden in Goldschmiedearbeit ruhten, über der Brust gehalten.

Berard nahm die Veränderung mit Besorgnis wahr. Er hörte nicht auf, zu beobachten, mit wechselndem Eindruck, wie er es gewohnt war, nunmehr häufig mit Kummer. Zwischen ihm und seinem immer noch bewunderten jugendlichen Herrn war es zum unleugbaren Zerwürfnis gekommen. Die einmal erwachte Spottlust hatte sich gesteigert. Was das Schlimmste war, Berards berechtigter Unwille, den er, der kein Diplomat war, nicht dauernd verhehlen konnte, wurde ihm als Tadelsucht ausgelegt. Wenigstens waren sie ohne Zeugen, als Friedrich es offen aussprach. Unvermittelt und ohne Anrede sagte er zu dem schweigsamen Erzbischof: „Ich habe eine Bitte an Euch, die ich erfüllt sehen möchte, nämlich die, dass Ihr Eure Unzufriedenheit mit uns für Euch behaltet. Und da Ihr wenig Freude an der Ehre unseres Umgangs zu haben scheint, so sei Euch gestattet, Euch aus unserer Nähe fern zu halten." Berard machte mit leichter Verneigung die schuldige Ehrbezeugung und suchte sein Quartier auf.

Was er erfahren hatte, war offene Ungnade und Ungerechtigkeit. Ein Verlangen ergriff ihn, ohne zu fragen seine Rückfahrt in die Wege zu leiten. Und doch wurde nach kurzer Überlegung sein Racheplan aufgegeben. Er hätte sich selbst vor der Öffentlichkeit zum in Ungnade Entlassenen gestempelt. Und da die Geistlichkeit geschlossen zum Kaiser hielt, so hätte er keinen Freund auf seiner Seite gehabt.

Vielleicht hatten die Moslim doch Recht, dass der Mensch nicht handeln darf, sondern handeln muss, wie es Gott gefällt.

Im September war Friedrich in Chur. Was ihn erwartet hatte, war zweierlei. Er fand eine herzliche Aufnahme, die der von Pavia kaum nachstand, und schlechte Nachrichten aus Deutschland. Otto hatte sich aufgerafft, nachdem ihn Unglück getroffen. Im August war Beatrix gestorben. Wer von schwäbischen und staufisch gesinnten Rittern zu seinen Anhängern zählte, hatte ihn augenblicklich verlassen. Dem Beispiel war Bayern gefolgt. Im Norden sein Allod hielt zu ihm. Jetzt zog Otto mit immer noch ansehnlicher Macht Friedrich entgegen und suchte „ihn abzufangen", wie man sich erzählte.

Friedrich hatte im Festsaal des Bischofssitzes den Bericht mit würdigem Ernst entgegengenommen. Ebenso aufmerksam ließ er sich weitere Pläne unterbreiten. £r sollte von Chur nach St. Gallen geleitet werden, wo er sicher auf weiteren Zuzug würde rechnen können.

„Hochwürden, ich danke Euch", sagte er hoheitsvoll.

So verweilte er nicht mehr lang bei dem gastlichen Bischof. Auf leichten Booten wurde der schmale Rhein überschritten. Der Bischof selbst geleitete den Kaiser nach St. Gallen. Hier wurde er nicht nur von Geistlichkeit und allem Volk freudig begrüßt, sondern auch von dreihundert deutschen Rittern, die stolz darauf waren, sich seinem Befehl unterstellen zu dürfen. Laut gab er seiner Freude Ausdruck.

„Ihr wisst, Herr Kaiser, dass in Überlingen die Welfen liegen?" wurde er gefragt.

„Otto von Braunschweig selbst?" war seine besorgte Gegenfrage.

„Er nicht. Seinen Marschall hat er mit dem Tross vorausgeschickt mit dem Befehl, ihm einen würdigen Empfang und vor allem ein Festmahl zu bereiten. „Undenkbar! Unmöglich!" rief Friedrich aus, „glaubt mir, Otto hat sich im letzten Augenblick anders besonnen, hat den nächsten Trossknecht absteigen heißen und ist mitgeritten. Ihr Herren Ritter, was meint Ihr, wir kommen ihm zuvor."

Ein jubelnder Zuruf war die Antwort. Allgemeine Freude bemächtigte sich der stattlichen Umgebung des Kaisers. Seine Ritter hatten es gut. Er besaß nun schon so viel Macht, dass er ihnen Knappen und Knechte zuweisen konnte. Nur was den Sold betraf, mussten sie sich gedulden. Doch das hatten sie gewusst, als sie ausritten; man sah es ihnen an, dass sie nicht arm waren.

Berard blieb ernst und besorgt. Wenn doch schon fast die Kessel brodelten in Konstanz, die Gewürze im Mörser bearbeitet, die Spieße mit dem Wildbraten überm Feuer gedreht wurden, was war da noch zu hoffen und zu wagen?

Zum Nachdenken hatte er jedoch nicht viel Zeit. Er wurde wieder sehr beschäftigt. „Schreibt der Königin!" - „Habt acht auf den Truchsess, dass er gut umgeht mit meinem Staatsrock!" Und wie ein in der Ferne verhallender Donner kam es nach einer kleinen Weile den blitzartigen Befehlen nach: „So's Euch beliebt."

Der Kaiser hatte die Hoffnung ausgesprochen, vor den Welfen in Konstanz zu sein. Sein an Zahl bescheidener Heerbann versicherte auf Ritterehre mit Ritterwort, sie würden 's erreichen.

An einem milden Novembertag war man nach kurzer Mittagsrast bei zur Neige gehenden Vorräten tüchtig zugeritten. Da wurden die Türme von Konstanz. sichtbar. Je näher man bei sinkender Sonne kam, desto deutlicher erschien der Lichtschein über der offenbar erleuchteten Stadt. Ein Jubel brach aus. Friedrich fürchtete einen Augenblick, es könnte kein Halten mehr geben. Doch es zeigte sich, dass seine Ritter aus guter Schule kamen. Nicht einer handelte aus eigenem Ermessen, etwa andere mitfortreißend. Es widerstrebte auch niemand, als der Befehl erging, in Ruhe heranzurücken und in Ordnung vor dem Stadttor zu halten.

„Gebt das Losungswort!" rief man ihnen zu, noch ehe drunten der Anruf des dazu bestimmten Herolds erfolgt war.

„Was bedarf es der Losung? Der Kaiser begehrt Einlass."

Es war eine mutige, aber wenig fruchtende Antwort. Sie löste ein vernehmliches Hohnlachen aus.

Bewegung und Unruhe entstand unter den Wartenden.

Da rief ein bärtiger Wächter freundlich hinab: „Ihr edlen Herrn, zieht Eure Straße. Wir erwarten den Kaiser, der uns sein von ihm selbst ausgegebenes Losungswort zurufen wird. Kein anderer wird eingelassen."

Während er sprach, hatte man einen Reiter im Habit des Geistlichen sich aus der harrenden Schar lösen sehen. Er ritt jetzt hart unter die Stadtmauer, stieg eilig ab, warf dem nächsten Ritter die Zügel in die Hand und rief hinauf: „Ein Bote aus Rom steht hier. Der Herr Papst lässt dem Bischof einen Befehl vermelden. Bestellt's, doch eilt".

Der Bischof befand sich offenbar schon in der Nähe des Tores. Überraschend schnell öffnete sich eine schmale Pforte, einen Blick in die erleuchtete Stadt gewährend.

Friedrich wusste, wer der Eingelassene war, den er unverzüglich hindurchschreiten sah. Ungläubig und gerührt nahm er die Bemühung seines treuen Begleiters wahr. Er hatte Lust, das Tor einrennen zu lassen, und bereute nun doch, nicht schneller geritten zu sein. Wenn die Welfen erschienen ... ? Er mit seiner kleinen Schar war mit Leichtigkeit umzingelt, niedergemacht, wenn es Otto gefiel. Jetzt fliehen zu müssen, nachdem er so weit gelangt war! Oder umkommen, ein Elender mit Elenden ...

Glockenklang, anschwellend zu immer vollerem Chor, weckte ihn aus seinem sorgenvollen Sinnen. Er wankte im Sattel, als er einen Spalt im Tor entstehen sah. Für ihn war immer noch Gefahr und Widrigkeit das Natürliche, einen Glücksfall wusste er im ersten Augenblick kaum zu fassen. Das Wunderbare geschah: nach rechts und sogleich auch nach links gingen die schweren Torflügel auseinander. Als er die festlich geschmückte Stadt und die staunende Volksmenge erblickte, musste er eine Falte seines weißen Mantels zum Auge führen. Er hatte sich sogleich wieder in der Gewalt und gab mit der erhobenen Rechten der Spitze des Zuges den Befehl zum Einmarsch.

In vollem Ornat, von Fackelträgern umgeben, stand auf den Stufen eines Brunnens der Bischof von Konstanz und rief in die andächtig schweigende Menge: "Hört, ihr Bürger von. Konstanz! Seine Heiligkeit Papst Innozenz, der Vater der Christenheit, schickt uns den Kaiser, sein Name hat guten Klang: Kaiser Friedrich von Hohenstaufen, Konstanz heißt dich willkommen!"

Bei den letzten Worten hatte er sich zu den einziehenden Rittern gewendet, in deren Mitte sich der Kaiser befinden musste.

Friedrich war bis jetzt tief ernst gewesen. Als nun in der sich bewegenden Menge der Willkommgruß des Bischofs tausendfach widerhallte, als grüßend Hände sich hoben, Blumen vor ihm zur Erde fielen, als immer mehr Laternen und Fackeln das Dunkel erhellten, gab er sich, ergriffen von der Bedeutung der Stunde, der Seligkeit des Erfolges hin. Mit strahlenden Augen und lachendem Munde ritt er unter Glockenklang und immer neuem Jubel langsam weiter. Hinter sich hörte er die Torflügel zuschlagen. Von irgend jemand vernahm er in seiner Nähe: „Ein schmucker Ritter, das Kind von Apulien!" Da lachte er über den neuen Namen.

Jetzt hielt da und dort der Zug, um einen Boten des Bischofs hindurch zu lassen. Er hatte zu fragen, wie er mehrmals bekannt gab, wie der Kaiser es halten wolle mit Quartier, Gottesdienst und Festmahl.

In den Reihen der vollkommen ermüdeten Ritter hoffte man als erstes auf eine Neubelebung im Quartier, vielleicht gar in einer der berühmten städtischen Badestuben, die man in den heimatlichen Burgen nicht kannte.

Friedrich gab die rechte Antwort, sie ist uns wörtlich erhalten: „Zuerst zum Dom, und der Bischof soll es ja verkünden, dass die Hand des Herrn uns sichtlich geführt hat."

So folgte man der Führung zum Münster. Die Ritter mussten bei ihren Pferden auf dem Münsterplatz verweilen. Die Bürger, die Knappen und Knechte füllten das Schiff. Sie sahen den Kaiser im Gebet am Altar knien. Die zunächst Stehenden waren ergriffen, zu sehen, wie er beim Klang der Orgel in tiefer Rührung verharrte. Der Ministrant meinte, ihn sagen zu hören: „Herr, vernichte deinen Knecht oder mach' ihn deiner Gnade wert."

Beim Festmahl im Conciliumssaal verbreitete sich die Kunde, dass Otto eine Stunde nach des Kaisers Einzug Konstanz erreicht habe. Das Geläut der Glocken mochte ihn schon von fern Unheil haben ahnen lassen. Sein Losungswort hatte ihm nichts genützt; der Bischof hatte strengen Gegenbefehl erteilt und alle Tore stark bewachen lassen. Mochte der Zweikampf „Hie Welf - hie Waibling" später ausgetragen werden. Er war bereit, der Obrigkeit, die Gewalt über ihn haben würde, untertan zu sein, vor einem nächtlichen Gemetzel bewahrte er seine Stadt, berechtigt und geschützt durch päpstlichen Befehl.

So war denn Otto, wie es schien in der Richtung Köln, weiter gezogen.

Erzbischof Berard hatte als letzter die Kirche betreten und sie als erster verlassen. Sein Pferd wusste er in der Hut des Ritters, dem er es vor dem Stadttor zu halten gegeben. Durch stille, dunkle Gassen, hier und da an ein helles Fenstersterlein klopfend und eine kurze Auskunft erfragend, gelangte er zur Residenz des Bischofs. Eine Schaffnerin, die den Einzug mitangesehen hatte und dann zur Hut des Hauses heimgekehrt war, führte ihn durch stattliche Räume zum eben im Speisesaal entzündeten Kaminfeuer und fragte nach seinen Wünschen.

Er ließ sich in einen Armstuhl am flackernden Feuer nieder und versicherte, er wünsche nichts als hier auszuruhen.

Zu später Stunde, als die Gäste ihre Quartiere erhalten hatten und Mannschaften und Tiere untergebracht waren, kam der Bischof nach Hause. Berard erwachte beim Klang der Torglocke mit etwas schmerzenden Gliedern aus immerhin erholsamem Schlummer."

„So habt Ihr noch nicht gespeist", sagte der Bischof nach gebührender Begrüßung des hohen Gastes, den er beim Festmahl vermisst hatte, „es ist nicht einmal Fastenzeit, und Ihr wollt gar hungern." Und er ließ in einem ansehnlichen Korb alles Erforderliche zu einer reichen Abendmahlzeit aus dem Stadthaus holen, wo noch getafelt wurde. Berard ließ sich bewegen, am Eichentisch Platz zu nehmen mit der Bedingung, dass sein Bruder Bischof ihm jedenfalls bei Wein und Nachtisch Gesellschaft leiste.

Nachdem der große Tag beim Weine eingehend besprochen worden, sagte der Bischof mit einigem Zögern: „Es sind viele vornehme Gastzimmer in der Stadt bereit. Doch so Ihr mir die Ehre erweisen wollt, unter meinem bescheidenen Dach zu verweilen ..." und dann folgte ein fragender Blick.

Nichts wäre ihm lieber, versicherte Berard. Der Bischof rührte befriedigt die silberne Tischglocke. - - -

In dem freundlichen Gastzimmer, in dem auch der würzige Nachttrunk nicht fehlte, legte Berard nur die Reiterstiefel ab, streckte sich auf der Lagerstatt aus und zog die seidene Decke über die Brust. Er war nicht sonderlich müde, da doch eine Ruhestunde und ein kräftiges Mahl ihn erquickt hatten. So genoss er recht mit Bewusstsein die Stille, die ihn umgab. Ihm war im Wechsel mit Tätigkeit Einsamkeit ein Bedürfnis, seit er sich in jungen Jahren dem geistlichen Stande geweiht hatte, und von dem Tage an, da er in Sizilien dem König auf sein Schiff gefolgt war, hatte er ihres Segens entraten müssen.

Nach geraumer Zeit wurde an die Tür geklopft, und nach der Aufforderung, einzutreten, meldete die Schaffnerin verlegen: „Euer Eminenz soll sich nicht stören lassen."

„Das denke ich auch nicht zu tun", sagte der Gast freundlich, „doch mir scheint, mich will jemand stören."

Da stand auch schon der späte Störenfried auf der Schwelle.

„Seid gegrüßt, Herr Kaiser!" Berard hatte sich aufgerichtet und wollte sich erheben.

„Nicht doch - - ich habe gesagt - - Ihr sollt nicht gestört werden."

Es klang merkwürdig matt. Etwas Fremdes, ungewohnt Demütiges lag in Friedrichs Wesen. Dem forschenden Blick Berards wich er aus. Sollte den jungen Menschen beim Mahle die Mäßigung verlassen haben?

„Ich habe an Konstanze geschrieben", sagte Friedrich langsam. Dabei schlug er nachlässig mit einer dünnen Briefrolle, die er in der Rechten hielt, in seine Linke. „Ihr dürft niemand sagen, dass es der erste Brief von der Reise ist, Eminenz, es reut mich."

Jetzt glaubte Berard, die Veränderung zu verstehen, und sagte beschwichtigend: „Die Königin hat immer Bescheid erhalten und wird sich über einen Brief von Eurer Hand besonders freuen."

Er vernahm einen erleichternden Seufzer.

„Ich will doch würdig sein dessen, was kommt, und nun reut mich manches." „Wenn ich Euch raten darf... "

„Das sollt Ihr, Eminenz, das müsst Ihr."

„So schreibt auch nach Rom, und mir erlaubt, dass ich an die treuen Städte schreibe."

„Ja, grüßt mir mein Pavia!" Friedrich warf die Briefrolle auf den nächsten Tisch, womit er sie zugleich vergessen hatte, und schwang sich auf die Tischkante. Er war wieder ganz er selbst. „Die klugen Pavesen, die haben mich schön den Mailändern in die Hände gespielt. Nicht in Gaeta und nicht in Genua, - in Pavia, da habe ich Angst gehabt."

Ihre Blicke trafen sich; beide gedachten schweigend des nächtlichen Ritts. Dann sagte Berard: „Eure Entschlossenheit am Lombro haben wir alle bewundert. Und Ihr seid belohnt; Ihr wäret heute nicht hier, hättet Ihr damals gezagt."

„O nein, so ist's nicht. Damit dass ich den Rappen in die Schwemme ritt, war Konstanz noch nicht gewonnen. Wenn ich hier einziehen durfte, so danke ich es Eurer Entschlossenheit und Güte. Eminenz, darum komme ich doch her. Mir ist zu Mut wie vor meiner Schwertleite, als ich mich prüfen sollte, ob ich würdig sei. Ich bin damals mit der Prüfung schnell fertig geworden, denn ich trug ja schon Schwert und Sporen, als Herr von Acera mir empfahl, der Form zu genügen. Und eine Beichte bringe ich auch heute nicht zustande. Aber von Euch muss ich mir ein freundliches Wort holen, auf dass ich makellos, mit unbefleckter Ehre vor den Wählern erscheine."

„Nun, weil Ihr mich einmal fortgeschickt und hundertmal wieder gerufen habt, könnt Ihr ein reines Gewissen haben und Euern Stolz bewahren."

Friedrich glitt auf den Teppich nieder und ergriff die dargebotene Rechte. „Ich danke Euch", sagte er leise.

„Doch sprecht, ist denn die Rede von Wahl?" fragte Berard.

„Von Wahl und Krönung. Lasst Euch berichten. Ich will noch einmal in aller Form gewählt werden. Denn seht, es ist lang her, dass mein Vater meine Wahl zu seinem Nachfolger betrieb und erreichte. Sie möchten nicht alle das Gedächtnis eines Innozenz haben. Die Wahlhandlung soll zu Anfang des nächsten Monats vor sich gehen, und zwar in Mainz, das mir durch die ganze Welfenzeit treu geblieben ist. Alsdann wollen sie mich in Frankfurt krönen. Das habe ich nicht gesagt, das ist Beschluss der deutschen Fürsten. Ich freue mich, dass ich den deutschen Namen Friedrich trage nach dem Wunsch meines Vaters und nicht Roger Konstantin heiße, sizilianisch-byzantinisch, wie meine Mutter das wollte. Wisst Ihr auch, wie sie Großvater Barbarossa in Deutschland nennen? Zuerst wusste ich nicht, wen sie meinten mit Kaiser Rotbart."

Berard gab lächelnd die leichte Erklärung. Ernster fuhr er fort: „Ihr werdet nun einige Zeit in Deutschland verweilen müssen, um zu erhalten und zu festigen, was Ihr mit Gottes Hilfe gewonnen habt, schnell gewonnen, möchte ich sagen, wenn auch ein Jahr darüber hingegangen ist. Was meint Ihr, wenn Ihr die Königin und König Heinrich herkommen ließet?"

„Das will ich tun, und Ihr werdet mir mein Geheck bringen. Ich schicke Euch mit gutem Geleit nach Palermo. Dort seht nach dem Rechten in Euern Bistümern, ruht Euch aus und richtet dann Euch dreien eine Fahrt mit aller Bequemlichkeit."

„Nach dem Rechten müsste in Sizilien in weltlichen Dingen gesehen werden", meinte Berard nachdenklich, „da herrscht wahrlich nicht Ordnung."

„Da schaffe ich Ordnung, sobald ich wieder den Boden Siziliens betrete, und das wird dann sehr schnell gehn. Über jeden Besitzzuwachs der letzten zwanzig, nein, dreißig Jahre wird sich der Eigentümer ausweisen müssen; und nur wer mir genehm ist, wird die Gnade erfahren, was er inne hat, neu bestätigt zu erhalten."

„So dass den Herren nur die Wahl bleiben wird, Euch die Treue zu beweisen oder die Burg einzureißen und nur einen Rest zu Lehen zu erhalten", ergänzte Berard. „Da wird sich freilich mancher für das erstere entscheiden. Ich sehe wohl, Ihr werdet das Scepter zu führen wissen. Ach, Herr Kaiser, führt uns zu Ruhe und Frieden."

Mit einem Ernst, der nicht seine Gewohnheit war und der in Berards klugem Sinn die Ahnung künftiger Größe erweckte, gab Friedrich zur Antwort: „Ich kenne die Lehre des großen Augustinus und weiß, dass es die Pflicht der Fürsten ist, dem Gottesstaat auf Erden zur Verwirklichung zu verhelfen, und Gottesstaat heißt Friedensstaat. Ihr werdet sehen, dass ich versuchen werde, wo ein anderer das Schwert gezogen hätte, durch gütliche Vereinbarung zum Ziel zu kommen. Vor allem will ich nicht allein dastehen. Mein Königsritt wird sogleich beginnen und soll mich zuerst nach Westen führen. Mit Philipp von Frankreich will ich Einvernehmen suchen; Otto wird sich seiner Verwandten in England erinnern."

Berard bewunderte die Klarheit, mit der Friedrich seine Lage beurteilte und seine nächste Pflicht erkannte, und zwar in einem Augenblick, da seine Jugend, von Erfolg geblendet sein und ihn zu Untätigkeit und Überhebung verleiten konnte. Er sprach es offen aus. Doch Friedrich wollte kein Lob hören.

„Jetzt sollt Ihr Ruhe haben, Eminenz, auch mich verlangt danach. Und wenn ich noch länger verweile, dann brennen meinen Fackelträgern die Leuchten herunter und wir müssen uns im Dunkeln zum Stadthaus tasten."

Und ein warmer Händedruck und schon im Aufbruch: „Gute Nacht denn, mein treuer Erzbischof und päpstlicher Fürsprecher!"

2. Teil König Heinrich der Staufer

Hinweise zum Urheberrecht
Dieser Aufsatz ist urheberrechtlich geschützt, Kopien sind nur mit Angabe der Herkunft erlaubt:
"Lemke, Dr. Ottilie, Aus der Stauferzeit, 1. Teil Hie Waibling, Bad Pyrmont, 1960
(Näheres wird durch das Urheberrechtsgesetz geregelt.)
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