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Tagebuchblätter

Ottilie Lemke,

geb. 28.12.1881 Königsberg/ Ostpreußen
gest. 05.04.1969 Bad Pyrmont

vom 1.1.1901 bis August 1902



Königsberg, 1. Januar 1901

Wenn man schon ein Tagebuch führt, dann muss man es auch nett machen. Darum lass ich ein paar Zeilen zwischen dem Datum und dem Bericht aus. Ein kleines Begrüßungswort für die Majestät des neuen Jahrhunderts muss ich wissen.

Die letzten Stunden des 19 Jahrhunderts verliefen mir langsam und schwer. Es waren die letzten Schritte eines Greises. Wir waren ganz unter uns.


2.1. 1901 Gestern vergeblich bemüht gewesen, meinem Tagebuch einen kurzen Bericht abzustatten. Ich setzte mich gerade gemütlich an Papas Schreibtisch, als mir Anna eine Karte " Paul Hüter"1 herein brachte. Ich in meinem blauen Kleid mit goldener Uhrkette machte also die Honneurs. Hernach erschien noch kometenartig ein Kurt Eckhardt. Nach dem Hüter gegangen war, kamen gleich die Brüder nach Hause. Zu Mittag war ein junger Flatau aus Breslau da, furchtbar von sich eingenommen mit wenig schönen Manieren, konnte uns schwerlich gefallen. Er blieb ziemlich lange. Danach kamen Oberregierungsrat Gillet und Fräulein Tochter2, die uns zum Abend um 8 einluden. Als sie gegangen waren, machten sich Liesel3 und Hermann4 zum Theater zurecht und sagten Walter5 adieu, der nach Meißen abfuhr. Als sie weg waren, zogen wir uns für Gillets an. Es war sehr nett. Außer uns vier Herren; ein junger Theologe, Braun, gefiel mir am besten. Er erinnerte in seiner sanften, liebenswürdigen Art etwas an Gerok6, wie ich mir in diesem nach seinen Briefen vorstelle, die ich jetzt mit großem Interesse lese. Es wurde noch 1 Uhr, bis uns Herr Oberregierungsrat, liebenswürdig wie immer, nach Hause brachte.

Heute Vormittag auf dem Eis. Doch saß mein Schlittschuh nicht, und ich musste abschnallen. Nun hab ich geschrieben, bis zum Essen will ich noch etwas Gerok lesen.


3.1.1901 Gestern nach dem Essen ging Mushy7 noch einmal aufs Eis. Liesel und ich lasen in meinem Tagebuch. Dann machte Liesel Handarbeit und ich las ihr die „Nachbarskinder“ vor und kramte allmählich meinem ganzen Vorrat an Gedanken aus. Sie verwarf aber alle bis auf eine moderne Skizze. Gestern Abend fuhr nun auch Hermann ab. Onkel Paul8, von jeher der treue Freund der Brüder, holte ihn ab und begleitete ihn zur Bahn. Es wurde Mama diesmal besonders schwer, die beiden Söhne wieder herzugeben, die Weihnachten wirklich verschönt hatten.


12.1.1901 Schon wieder ganz drin im Lernen. Bis auf heute – Sonnabend - alle Tage bis auf die Minute besetzt. Aber schreiben muss ich. Was, ist mir augenblicklich noch vollständig unklar, jedenfalls ungeordnet. Ich weiß es nur am Abend, oder auf dem Weg zum Seminar, in Augenblicken, in denen es unmöglich ist, zu schreiben. Was soll ich denn von meinem Seminar erzählen (in dem ich mich auf den Beruf der Kindergartenvorsteherin vorbereite?). Nicht sehr frohen Mutes kam ich am Dienstag, am ersten Tag nach Hause. Wohl waren uns bei Ausgabe des Stundenplans vier freie Vormittage zugesichert worden, dafür wurden aber fast alle Nachmittage besetzt. Geschichte und Geographie, zwei sehr angenehme Stunden bei Fräulein Kien, mussten für mich ausfallen, weil ich mit Liesel zusammen die lateinischen Stunden wieder aufgenommen habe. Zudem fehlte meine süße, kleine Isa. Am Mittwoch kam sie. "Nun, Is-chen, ist´s hier richtig? " fragte Fräulein Koch. Ischen nickte. Bei unserem Weihnachtsfest in der Loge, als alle Kinder vor Aufregung und Freude kaum sitzen konnten, hat sie geweint und war zur Mutter gelaufen, wollte in den richtigen Kindergarten, wo die Kinder auf Bänckchen sitzen und ihre gewöhnlichen Kleider anhaben.

Das Schlittschuhlaufen hat für mich augenblicklich so gut wie ganz aufgehört. In den Ferien war ich ein paar Mal mit Mushy auf dem Eis. Herr Hüter war jedesmal da, sobald er uns erspähte; unterhielt sich auf liebenswürdigste und stellte seine Uhr 20 Minuten zurück, um länger die Gesellschaft meiner Schwester genießen zu können, wie er hernach selber mit ebenso naiver wie unverschämter Offenheit gestand, lehrte Mushy Bogen schneiden, schnallte ihr die Schlittschuhe ab und besorgte diese an die Aufbewahrungsstelle.

Als "verlorene Vielliebchen-Dedikation" hat er ihr eine venetianische Vase mit zwei entzückenden Orchideen geschickt. Er ist überhaupt der vollendete Kavalier. Gestern erschien er im Radfahrsaal, in der sorgfältig gebundenen Kravatte eine schöne Brillantnadel. In den Pausen bot er die feinsten Pralinées an. Seinen Vorschlag, morgen – Sonntag – in corona - nicht per Rad, mit der Bahn nach Rauschen zu fahren, will ich erwähnen. Ich weiß noch nicht, ob ich mitgehe.

Mit poetischen Ergüssen ist es schlecht bestellt. Meine Muse ist eine alte, launische Kröte wie immer. Ich hätte ihr schon längst ein Mahn- und Scheltegedicht gemacht, wenn ich nicht auch dazu sie brauchte. Mit der modernen Skizze komme ich auch nicht zurecht. Wenn doch das Zuschneiden des Stoffes nicht so schwer wäre! Das Heften, Zusammensetzen, Nähen - um im Bilde zu bleiben - ist im Vergleich dazu Spiel und erfordert höchstens Ausdauer und Aufmerksamkeit. Die Sache soll in französischer Sprache zu Papier gebracht werden.

Hier schloss die Audienz bei meiner Muse, die eben einen viel versprechenden Anfang nahm, durch eilige Berufung in die Küche, wo ich Mushy beim Ausrollen des Teiges eine zweifelhafte Hilfe war. Wenn ich ebenso ungeschickt bei dem noch nicht einmal zusammengerührten Teig meiner Skizze bin – eh bien merci! Das ist so nett an Mushy, dass die ebenso eifrig in der Küche ist wie auf dem Eis. Das Helfen war übrigens nicht die Hauptsache. Wir verabredeten das Programm für heute Nachmittag. Ich holte also Mushy vom Eis ab, und wir machten Besuche.

Nun muss ich aber wieder Latein lernen, Montag ist wieder Schule. Ich graue mich schon. Nein, es kann mir kein Vergnügen machen, das Lokal (die uralte städtische Schule) ist zu schauderhaft. Wenn ich den köstlichen Wein aus einem schmutzigen Becher trinken soll, trink ich ihn lieber gar nicht.


12.01.1901 (Sonntag) Die Schwestern sind nun doch nach Rauschen9 gefahren. Augenblicklich - halb zwölf - sind sie gewiss am Strand. Ich sitze einem meinem Sekretär und denke kann sie. ---- Heute früh stickte ich - vielleicht bis 12 - an der Handarbeit für Tante Ottilie10. Dann widmete ich mich meinem ganzen Sonntag bis eben jetzt - 4 Uhr - der Puppenschneiderei. Ich beendete eine mindestens vor einem Jahr angefangene Puppenbluse. Es machte mir das erste Mal nicht das gewohnte Vergnügen. Ein Ärmchen wollte nicht sitzen, Nadel und Stoff nicht gehorchen. Bin ich ungeduldig geworden?

     
  Ottilie Goerke, geb. Eckhardt, verw. Petzke Ottilie Goerke, geb. Eckhardt, verw. Petzke
     


18.01.1901 (Krönungstag) Gestern eine ganz niedliche Feier im Kindergarten mitgemacht. Ganz hübscher Vortrag von Fräulein Kien. Meine Ise, die nicht so recht wusste, was um sie her vorging und warum sie die schöne rote Schärpe aus Seidenpapier um hatte, war meisterhaft artig, so dass die Feier ungestört verlief. Die Kinder bekamen zum Schluss kleine Kaiserbilder, schwarz-weiß-rote Papierketten und goldene Sterne, die sie selber gefaltet hatten, die größeren schwarz-weiß-rote Schleifchen. Es war sehr nett.

     
  Grete und Alexander Eckhardt  
  Grete und Alexander Eckhardt  

Am Abend desselben Tages waren Eckhardts11 bei uns. Das Arrangieren der Bewirtung fiel mir allein zu, da Mushy im Julchental war, wo sie morgen in einem lebenden Bild stehen soll und Liesel in unserem Tanzkränzchen. Es ging aber alles sehr glatt. Tante Grete war sehr nett. Als die anderen: Mama12, Onkel Paul, Onkel Alex, sich unterhielten, gingen wir beide, uns umschlungen haltend, um den Esstisch herum und unterhielten uns. Wir sprachen von Rauschen und auch von dem - bald nur von ihm - der die ganze Sache entriert hatte und auch heute, aus demselben Grunde wie sie, in Julchental13 war. Tante, der Hüter früher immer blasiert erschienen war, fand ihn bedeutend netter geworden und zwar durch Mushys Einfluss. Ich teilte Tante Grete alle meine Besorgnisse mit. Sie beruhigte mich und meinte, ich sollte doch Mushy ihr Vergnügen lassen. An eine regelrechte hübsche Freundschaft, mit der ich mich einverstanden erklärte, wollte Tante bei diesen beiden Menschen in diesem Alter nicht mehr glauben. Wir sprachen noch sehr viel. Als aber Tante sagte, ich würde mich ja auch einmal verloben und dabei gar nichts Unnatürliches finden, sagte ich, ich wollte nur ein Mann wie Gerok, und da es keine solchen mehr gäbe, gar keinen. Da wurde unten an der Haustür gerüttelt. "Guten Abend, gnädiges Fräulein", kam auf mein „Mushy?“ zurück. Es waren die beiden.

Heute früh lang an meinem Aufsatz gearbeitet. O liebes Tagebuch, könnte ich dir doch schon die Zensur sagen. Nun gehen wir aufs Eis. Ich gehe wieder mit, ich muss doch auf meine Schwester aufpassen. Hernach zur Illumination. O Mushy, so lass mich schreiben und guck mir nicht über den erhobenen Buchdeckel.


19.01.1901 Gestern auf dem Eis war es sehr nett. Hüter und Lemke waren da, welchen letzteren ich mit "Guten Tag, Vielliebchen" begrüßte. Wenn mir das auch nicht eine venezianische Vase einbringt, so freute ich mich doch. Man sprach natürlich viel von Rauschen. Wenn man Hüter fragt, ob das nicht ein Vergnügen eigener Art gewesen sei, dann verdrehte die Augen, bringt ein "Schön, es war schön" heraus und dreht sich auf seinen Schlittschuhen dreimal um sich selbst.

Die Illumination, zu der uns Onkel Paul abholte, war stellenweise recht nett hübsch; aber ein furchtbares Gedränge und ein dichter Nebel verringerten das Vergnügen. Zu Abend war Hüter bei uns. Heute früh erhielten wir drei eine Einladung zum 26. (zur Tanzgesellschaft) zu Franks. Am 2. Februar sind wir wahrscheinlich bei Eckhardts, Liesel, die überhaupt bereits schon sieben Mal getanzt hat, bei einer Freundin.

Ich komme mir so sündhaft vor, dass ich dich schon wieder belästige, alter Freund, ich muss dir noch ein paar Worte zu flüstern, ehe ich mich umziehe fürs Julchental. Denn daß Mushy nun doch jetzt Billets besorgt hat und dass wir sie sehen werden in ihren schönen Kostüm und Hüter als Moltke habe ich noch gar nicht einmal erzählt.

Ich will aber etwas sagen. Mushy ging heute aufs Eis und Liesel in die Kunstgeschichte. Da nahm ich die lateinische Grammatik, suchte mir die Aufgabe und ließ das Buch aufgeschlagen liegen. Dann holte ich den Gerok, legte ihn darauf und machte das Buch auch auf. Ich las aber weder in dem einen noch in dem anderen, sondern stützte den Kopf in die Hand and watched the dawn coming over the world. Es war vielleicht vier, da kam Mushy herein mit frischen Farben, mit frischer Luft und zerstörte meine Träume. "Das kann dir gefallen, nichts zu tun, faulenzen." Ich hatte dann aber, als wir beim Tee saßen, doch nicht das unbefriedigte, nagende Gefühl des Zeitversäumens. Die Sache ist nämlich die; ich habe ein Gedicht gemacht, ein richtiges, wirkliches; seit langer Zeit wieder einmal, eins das nicht nur ein zu vollendendes Fragment ist, sondern, dass ich auch aufschreiben kann. Voici la poésie:

An meine Muse:

Du bist so kalt, ich kenne dich nicht wieder,
Und wendest dich von mir mit eis´gem Blick,
Du, der ich danke alle meine Lieder
Du Herrin meiner Träume, du mein Glück!

Bist du dieselbe, die mit weichem Herzen
Mir noch vor Monden treu zur Seite stand?
Wie fühlt ich da in Freuden und in Schmerzen
Den warmen Druck von deiner Götterhand!

So schenktest reichlich mir, was ich begehrte,
Ja, fast zu viel, dass ich - laut sei's geklagt -
Kamst du zur Unzeit, dir den Eingang wehrte.
Ach, nun bist Du´s, die mir mein Glück versagt.

So hab ich deinen Zorn heraufbeschworen?
Ich fühl´s mein Kopf ist schwer und steif die Hand.
Ich weiß, ich weiß was ich an dir verloren,
Wenn du für immer dich von mir gewandt.

O grolle nicht, lass mich umsonst nicht knien
Vor deines Göttertempels heilgem Tor,
Den finstern Gram, o Muse laß entfliehen,
In altem Gram und Reichtum tritt hervor.

Lass mich den Saum an deinem Mantel küssen.
Dein Lächeln schenkt aufs neu mir frischen Mut.
Dann werfe ich mich in Demut Dir zu Füßen
Dein wieder ganz! Oh sei auch du mir gut.


20.1.1901 Heute Nachmittag, als Mama schlief, Liesel auf dem Eis war und Mushy las und ich nicht recht wusste, was ich beginnen sollte, kam meine Muse auf ihren Schmetterlingsflügeln herein geflattert und flüsterte mir ganz schnell eine Antwort auf mein gestriges Gedicht ins Ohr, tolles Zeug, das sich nicht recht reimen will und mir zusammenhanglos in wahren Fetzen zugeworfen wurde. Was ich davon behalten habe, will ich dir, alter Freund, immerhin mitteilen:

Antwort der Muse:

Da bin ich wieder. Wie lang ich bleib,
Das kann ich dir heut noch nicht sagen.
Nun spiel ich mit dir zum Zeitvertreib,
Bis meine Stunde geschlagen.

Es war recht lustig, als du am Tor
Gekniet auf steinernen Stufen;
Deine Schmeichelreden verführten mein Ohr
Dein Betteln und klägliches Rufen.
Es war grad nicht ein erfreulicher Ort,
Zur Winterzeit liebend zu warten.
Doch nun sei Dir wieder - die Muse hält Wort -
Geöffnet mein Zaubergarten.

Da nimm ein Lied. Und nun sollst du genesen
Von aller erdachten und möglichen Pein.
Doch merke, du bist mein Günstling gewesen,
So brauchst Du´s darum nicht immer zu sein.

Ich hab dich verwöhnt - so will es mir scheinen -
Das machte mir wirklich Spaß mit dir,
Doch ist es ganz gut, auch mal zu verneinen,
Sonst kommen die Leute zu oft zu dir.

So sei denn verständig, und hör was ich sage:
Lass dich zu viel mit der Welt nicht ein!
Ich hasse die Fälsche mit Lärm und Plage,
Und ist nicht was Schönes, mein Freund zu sein?


23.1.1901 Etwas Fröhliches habe ich mitzuteilen; mein Aufsatz ist gut. Fräulein Schilke gab ihn mir heute, ich war so glücklich, dass sich ihr dankte. Da sagte sie, sie habe zu danken für die gute Arbeit. Fräulein Koch habe ich's auch erzählt und Liesel und Mietze Hermann14, die mich abholten. Oh, dass mir das Glück auch ferner günstig blieb! Dann brauchte ich statt der üblichen sechs nur drei Aufsätze zu schreiben. An dem plötzlich eingetretenen Tauwetter, in dem unerträglichen Schmutz der Straßen und Kleider schien meine Muse doch etwas Poetisches zu entdecken und wollte mich offenbar an dieser Entdeckung teilnehmen lassen. Als ich mit Paketen beladen in höchst prosaischer Stimmung in der elektrischen Bahn nachhause fuhr, flüsterte sie mir zu:

Das Eis ist geschmolzen. Vorüber die Pracht!
Die glänzende, schimmernde Fläche,
Sie waren verwandelt über Nacht
In Pfützen und rieselnde Bäche.

Und dann

Was zu Füßen vor dir liegt,
Ei, du hast es gern.
Wird es hübsch zusammengefügt,
Gibt´s ´nen schönen Stern.

Sagte die Muse und war fort. Das ist nun eine riesige Mühe, die nötigen Stückchen von Gedanken und Worten auszulesen. Früher dichtete ich ganz anders. Anfang und Ende schrieb ich ohne Zusammenhang hin, wie mir´s in den Sinn kam. Wusste ich doch, dass ich mit leichter Mühe die fehlenden Strophen würde einsetzen können. Jetzt wird, was irgend sich reimt, zusammengeflickt und zu Papier gebracht. Das Eis ist also wirklich geschmolzen, und meine beiden Schwestern gehen des Morgens nicht in die Stunde und des Abends nicht zu Bett ohne einen hoffnungsvollen, ich möchte sagen, bittenden Blick auf das Barometer zu werfen, ob es nicht vielleicht doch noch frieren könnte. Es war doch eine schöne Zeit, als täglich ein paar Stunden auf dem Eis zugebracht wurden. Wie sollte man sich nicht amüsieren in Gesellschaft eines Kavaliers, wie es Hüter ist. Seine Liebenswürdigkeit ist mir manchmal doch, obgleich sie immer in Grenzen bleibt, beängstigend. Nun bei den Fest in Julchental! Ach, wenn ich an den Abend denke, möchte ich die Feder aus der Hand liegen und träumen, alles im Geiste noch einmal durchleben. O es war schön! Zweitausend Menschen, rauschende Musik, Deklamationen, lebende Bilder, und Mushy war so hübsch und Hüter so liebenswürdig!



24.1.1901 Heute Wäsche und viel zu tun, hab selber mitgeholfen, Betten gemacht, Wäsche zusammengelegt und dabei ein Gedicht gemacht. Bin nicht recht zufrieden damit. Geschah nur die gute Laune meiner Muse auszunutzen. Hier ist´s:

Zerstoben der Läufer beflügelte Schar,
Zerflossen die Eispaläste!
Verschwunden die Grenze, die Pfähle gar
Von jüngst begangenen Feste.

Zwei weiß ich, die schlangen so gerne den Reifen
Die zogen so zierliche Kreise.
Die scherzten, sie lachten so gerne zu zweien
In klarer Luft auf dem Eise.

Ob euch der Frost gefärbt das Gesicht
Mit der lieblichen Farbe der Tugend.
Die Beiden bedachten die Kälte nicht
Im Besitz ihres Glückes, ihrer Jugend.

Wie soll das denn werden zur Sommerzeit,
Wenn die Hoffnung kehrt mit den Schwalben,
Wenn die Erde den Bräutigam Frühling freit,
Wenn´s grünt und blüht allenthalben?

Erwacht dann mit Veilchen und Ehrenpreis
Euer Glück aufs neue in der Sonnen?
Doch lasst auch gut sein, wenn mit dem Eis
Ein lieblicher Traum zerronnen.

Gestern Abend Börsenhalle mit Eckhardts, Hüter, Lemke. Mushy trug eine hellgrün seidene Bluse mit goldener Brosche. Hüter saß neben ihr. Sein schönes Auge hing mit Vergnügen an den wohlgestalten Zügen. Bei dem jungen Lemke bedankte ich mich für das im Laufe des Tages erhaltende Vielliebchen, eine Unmenge feinster Vanilleschokolade. Ich hatte mich diebisch gefreut, aber Mama war es nicht recht gewesen. Dass auch Hüter es hören musste, erzählte ich Lemke, Mama habe bestimmt, bei uns würde es nie mehr Knackmandeln geben. "So bringen wir uns welche mit" erklärten beide. -- Nun muss ich mich doch in Psychologie vertiefen.



28.1.1901 Seither schon wieder allerhand vorgefallen. Das Eis gefroren und wieder geschmolzen. Mit Hüter mehrfach auf dem Eis zusammen gewesen, und gestern Abend war er hier zusammen mit Eckhardts. Es war überhaupt gestern ein bewegter Sonntag. Sonnabend abend - das will ich noch erwähnen - machten wir eine nette Gesellschaft bei Franks mit. Sonntag früh also schälte ich sechs Apfelsinen zu einer Konfitüre, die ich schon lange machen wollte. Danach mit den Schwestern auf dem Eis. Hüter war natürlich da, ebenso Herr Oberregierungsrat Gillet mit Töchtern. Mama holte uns ab und machte uns die Überraschung mit Theaterbillets für „Tristan und Isolde“. Hüter, den Mama vorausgeschickt hatte, hatte sie besorgt. Er wird wahrscheinlich auch hingehen. Nach dem Essen ein ganz klein wenig ausgeruht. Dann mit Mushy zum Kaffee bei Fräulein Wermke15.

     
  Fräulein Wermke, Radierung von Marie Lemke Fräulein Wermke
(Radierung Marie Lemke)
     

Abends Eckhardts und Hüter. Es war wirklich sehr nett. Halb zwölf, als sich die Gäste entfernten. Wir hatten allerhand Kartenkunststückchen gemacht, zuletzt unser großes, dass Hüter unbedingt raten wollte. Heute früh meine Apfelsinen gekocht, gelernt. Heute Nachmittag Latein, was mir gut ging, und Bewegungsspiele (im Kindergartenseminar), was noch besser ging. Und nun etwas wichtiges: meine Muse hat mir ein kleines Geschenk gemacht, aber ich habe gute Lust, das Ding wie etwas Schmutziges fortzuwerfen. Eine düstere Erzählung aus dem Kleinbürgerstand. Einen Titel habe ich noch nicht. Das ist recht dumm. Ich schreibe gerne nach einem Titel, dann läuft man viel weniger in Gefahr abzuschweifen. Gestern entzückender Abend. Isolde, Rosa Sucher, Herr Hüter war da. Lächelnd und ruhig wie immer, als müsste das so sein, nahm er den letzten freien Platz in unserer Loge neben Mushy ein. Hernach mit Oberregierungsrat Gillet, Martha, Hüter und einigen Bekannten der Ersteren, Oberleutnant so und so, Konsul so und so -im Theaterrestaurant zusammen. Später brachte uns Oberregierungsrat Gillet mit Martha im Wagen nach Hause. Hier noch ein gemütliches Souper mit Besprechung des Abends. Um mein jüngstes Geisteskind schweb ich in Sorge. Ich hab´s nun doch verraten, und das ist nicht gut. Solange sich solche Wesen noch in der Entwicklung befinden, schadet ihnen jeder fremde Blick. Sie müssen in einem dunklen Fach des Sekretärs liegen, und nur wenn niemand im Zimmer ist, darf man sie herausnehmen. Liesel durchsuchte meinen Sekretär, wo ich noch die Schokolade von Lemke habe. Da fand sie auch mein Geheimfach, und als sie fragte, was darin sei, sagte ich: "Etwas schönes, eine Geschichte." Seither ist kein Strich mehr daran geschrieben. - Hüter hat noch sehr von dem Abend bei uns geschwärmt.

 

3.3.1901 Ein aufregender Tag. Heute Abend ist Gesellschaft. Unten im Esszimmer wird die Tafel gedeckt, sonst sieht es noch gar nicht nach Gesellschaft aus.

1.4.1901 Mittelhufen Bahnstr. 11

Zum 25. März

Viel Glück, viel Freud! Noch manche frohe Stunde
In trauter Stille und im Freundeskreis,

In dieser Ruhe völliges Gesunden -
Ist alles, was ich dir zu wünschen weiß,

Da in dies Haus du heute mit den Deinen
Als in die künft´ge Heimat ziehest ein.

Noch ist´s nicht schön hier, doch es will mir scheinen,
Als würden wir hier gern zuhause sein.

Wie rein die Luft! Wie klar der Frühlingshimmel!
Wie fühlt man sich hier aller Welt entrückt

Und fern dem lauten städtischen Getümmel
Im tiefen Inneren fröhlich und beglückt!

Oh, es ist schön, das Heim das Du erkoren,
Es gibt auch hier der Freude noch genug;

Und was du gabst, du hast es nicht verloren,
Denn Treu bewahrt es die Erinnerung.

Dieses Gedicht hatte ich Mama zum Einzug in die neue Wohnung gemacht. Am ersten Abend las Mushy es vor. Wir saßen damals in einem wahren Chaos. Seither ist nun schon viel geschehen. Heute sind es gerade acht Tage, aber es scheint mir, als wären wir schon eine Ewigkeit aus dem alten lieben Hause fort. Ich bin nicht gern hergekommen und bin auch nicht gerne hier. - Ich freue mich auf die Ferien, weil ich mir viel vorgenommen habe, nur heute noch gehört meine freie Zeit dir, liebes Tagebuch. Von morgen an kommt mein noch immer namenloses Geisteskind dran. Eine fernere Ferienarbeit sind die Deckchen zu Mamas Geburtstag. Und wenn die fertig sind, kann ich für Mietzel eine Handarbeit vornehmen: denn es war ja kein Traum, es war grausame Wirklichkeit, jedenfalls ist es zur Wirklichkeit geworden, was ich immer fürchtete. Ja, ich habe es immer gefürchtet, dass der Hüter uns die Mietzel ganz entführen würde. In alle Unruhe und Aufregung des Umzuges kam ein Brief aus Köln, wo Hüter sich zu einer Übung aufhält. Diesem Brief bittet Hüter um Mietzels Herz und Hand. Das war am 30. März. Ich mag davon nicht weiter schreiben. Ich komme mir schlecht vor, weil ich mich nicht darüber freue und noch schlechter, weil ich Freude heuchle.


4.4.1901 Gestern wohnte ich mit Mietzel einer Vorstellung von "Romeo und Julia" bei. Romeo - Rudolf Christians16 als Gast. Ich war sehr glücklich, ihn wieder zu sehen; er war derselbe.


24.5.1901 Es war gestern ein schöner Sonntag. Mit Mama, Eckhardts, Hüter, den Schwestern, Fräulein Wermke von Warnicken17 nach Rauschen gegangen, natürlich mit Unterbrechung zur Frühstücks - oder besser Mittagszeit. In Rauschen Kaffee und Kuchen. Hernach mit der Familie Hüter am Strande. Frau Hüter sehr liebenswürdig. Die Tochter, Frau Schieferdecker sehr elegant. Mir gefiel am besten Ihr kleiner Junge, mit dem ich lange im Wasser spielte, Kanäle baute und Schiffe faltete. Es war wie eine kleine Idylle, als sich alles auf der sehr hoch über dem Meer gelegenen Heide zwischen Warnicken und Rauschen gelagert hatte.

     
  Ottilie, Marie und Elisabeth Lemke Ottilie, Marie und Elisabeth
(von links nach rechts)
     

 

Ich betrachtete das Bild aus ziemlich weiter Ferne und es gefiel mir ausnehmend. Über Heide und Meer ruhte einer der häufigen Seenebel. Da ich das Bild von weitem sah, nahm es einen eigenartigen unklaren, eigentlich poetischen Charakter an. Ich schrieb an Ort und Stelle einiges in Stenographie nieder und machte heute ein Ganzes draus. Mietzel findet, dass eine Stelle an Gerok erinnert, findet es auch im Übrigen nicht schlecht. Das sagte sie nicht, aber sie gab mir einen Kuss, das ist schon viel. Ich habe diesem jüngsten Kind schon anderswo seinen Platz angewiesen.


26.6.1901 Es ist nur gut, dass die Ferien begonnen haben. Ich hatte in den letzten Tagen keine Lust mehr. Heute war ich sehr müde, so müde, dass, als ich mich ein wenig nach dem Essen hinlegte, ich fest einschlief und mich erst besinnen musste was mit mir vorgehe, als Liesel mich zum Tee weckte. Von dem Ausflug habe ich übrigens neben der Heideidylle, über die ich gestern alles Übrige vergaß, einen schauderhaft verbrannten Hals mitgebracht. Ich trug ein ausgeschnittenes Kleid; ich glaube es stand mir gut.

Da hat die Sonne mit flammenden Mund
Mir am Strand geküsst den Nacken wund.


An Rudolf Christians

Nun hab ich dich, Edler, wiedergesehen,
Anmutvoll, königlich, stolz und frei.
Noch konnt´ ich´s nicht glauben, da war es geschehen,
Der Vorhang gefallen und alles vorbei.

Und heimwärts ging´s durch lärmende Straßen,
Wie im Traume erreicht ich mein Haus und Tor,
Dein Bild war mir nahe, als könnt ich es fassen,
Deine Glockenstimme klang mir im Ohr.


Ich sah umfließen des Mantels Falten
Der Glieder herrliches Ebenmaß,
Wie schön das Gewand, vom Gürtel gehalten,
Wie stolz auf den Locken die Krone saß!

Ich habe wehmütig Dir zugetrunken
Und habe noch lange an Dich gedacht,
Da hast du im Traume mir zugewunken
Aus der Kirchentür in der Krönungpracht.



1.7.1901 Gestern war auch ein gelungener Sonntag. Herr Hüter war übrigens nicht von unserem "Schmaus". Es war der erste Sonntag seit Wochen, den er nicht bei uns verlebte. Er telephonierte das auch an Mietzel.

     
  Ottilie (vorn) und Elisabeth Lemke
Ottilie (vorn) und Elisabeth
     

Morgens früh von 6 bis 8 mit Eckhardts, Onkel Paul, Liesel Rad gefahren. Dann gefrühstückt, gelesen (Soll und Haben18).

Dann gemeinsame Promenade im Tiergarten. Vorher mit Mama und Mietzel auf dem Kirchhof. Nach dem Essen gelesen. Zum Kaffee Eckhardts. Spaziergang. Nach dem Abendbrot im Tiergarten. Fontaine lumineuse. Ich musste an das Wasserschloss in Paris denken. Das hätte ich lieber nicht tun sollen. Ich hatte mich so kurz gefasst, weil ich glaubte, keine Zeit zu haben. Nun sind aber alle fortgegangen, da bleibe ich noch ein Weilchen dabei. An poetischen Eindrücken mir der gestrige Tag nichts gebracht. Es ist auch gut so. Ich muss vor allem mit aller Macht an meinen leidigen Ferienaufsatz denken. Ich schreibe Aufsätze nicht ungern, aber an diesen mag ich nicht heran. Ich werde ihn auch nie wieder gern lesen, weil er mich an eine Inkonsequenz erinnert, die mich empört hat und die meine Vorsteherin bei mir bedenklich sinken ließ. "Drei Aufsätze Nummer 1, meine Damen", hat sie mir mehr als einmal gesagt, "und die letzten drei sind ihnen erlassen." Ich habe drei Aufsätze geliefert und für zwei bekam ich die Ausnahmezensur "zu leben", der dritte war "recht gut", nun, jetzt sitze ich an dem vierten. Und das schlimmste ist, dass ich nach den Ferien aus dem Kindergarten von Fräulein Koch fort muss zu ihr in die Schule. Zweitens ist es gut, dass mir nichts Neues einfiel, weil ich noch nicht genug zum Vorarbeiten habe. Ich arbeite augenblicklich an einem Sängerlied. Es handelt von einem Knaben der für eine hohe Dame in Liebe erglüht, seine Leidenschaften bezwingt und arm, wie er gekommen, von dannen zieht. Ein zweites soll ein Gegenstück dazu sein. Ein Singerlein, wie die Ritter es zum Liebesbrief an die Liebste benutzen, liebt er selbst die Dame, der er die Gefühle seines Herren kund tun soll. Er vergisst sich und gesteht seine Liebe. Die Dame ist beleidigt. Von seinem Herrn wird das Sängerlein vom Schloss gejagt. Immer noch in Liebe entbrannt, gibt er sich selbst den Tod. Dann mach ich drei Sternchen und dann erzählt der Dichter weiter:

Es steht am Bache ein Weidenbaum,
Doch drunter zu ruhen gibt bösen Traum.

Hier, wo am Ufer kein Blümlein mehr blüht,
Verklang eines Singerleins Schwanenlied.

Es sind Jahre vergangen seit es gescheh´n,
Die alte Weide hat es gesehen,

Sie sah, wie am Aste der Knabe sich schwang,
Sie sah, wie die Nixe den Holden umschlang.

Und sie allein hat auch gehört,
Was zuletzt er gesungen, von Liebe betört.

Heute früh habe ich fleißig gearbeitet, dann gelesen (Soll und Haben). Dann kam Fräulein Wermke, die die Ferien bei uns zubringen wird, sie ist nun mit Mama und Liesel in der Stadt. Heute Abend erwarten wir "den Paul", wie Liesel sagt. Ich will mich nun anziehen. Dann wird wohl das neue Mädchen kommen, die heute eintreten soll. Hernach ist es Zeit, das Abendbrot zu richten, und dann werden wohl allmählich die Meinigen zurückkommen. Ich will noch ein wenig an mein armes Singerlein denken.

 

5.7.1901 Gestern waren wir allein und gingen früh zu Bett, und das war recht angenehm; vorgestern nämlich kamen wir sehr spät zu Bett. Herr Hüter und Herr Schmidt waren da und dachten um 11 noch lange nicht an Aufbruch. Es war auch sehr nett. Herr Schmidt verlässt uns leider jetzt. In einer Stunde fahren wir nach Cranz zu Frau Schlösser. Ich kann nicht sagen, dass ich sehr große Lust habe.

 

6.7.1901 Und das war unrecht. Wir wurden sehr liebenswürdig aufgenommen. Bei hohem Wellenschlag badeten wir in der See. Es war recht schön, nur tun mir heute noch die Arme weh, man musste sich am Strick festhalten, um nicht zu fallen und einen unfreiwilligen Besuch bei den Nixen zu machen. Aber dennoch wurde man von den Wellen hin und her gerissen wie ein Fähnchen im Wind. Gestern entstand wieder eine kleine Strandidylle.

Ich liege am Strande in träger Ruh,
vergessen sind Pflichten und Sorgen.
Ich höre dem Wind und den Wellen zu
und denke nicht an das "morgen".

Im weißen Sande glänzend und fein
lässig graben die Hände -
Meeres Rauschen und Sonnenschein --
Dolce fare niente.

 

10.7.1901 Sonntag den 7. wieder einen Ausflug unternommen. Nach Warnicken. Mama, Eckhardts, Fräulein Wermke, Hüter, Lemke, Mushy, meine Wenigkeit. Liesel hatten wir am Sonntag in Cranz gelassen. Mama, die zuerst keine rechte Lust gehabt hätte, war doch recht befriedigt von dem Tag, ebenso die anderen. Ich kann nicht sagen, dass ich ganz befriedigt bin. Allerdings tun mir weder der Hals noch die Arme weh, aber auch nicht einen einzigen kleinen Reim habe ich mitgebracht. Die Tour war viel weniger anstrengend als die nach Rauschen. Wir waren sehr lustig. Onkel und Tante machten mehrere fotografische Aufnahmen von uns. Wir brachten Hüter um seinen Mittagsschlaf, indem wir ihn durch unsere Neckereien in komische Verzweiflung setzten. Lemke und Mushy hatten wir eine ganze Zeit aus den Augen verloren. Hüter trug sein Schicksal mit vornehmer Resignation, bemühte sich aber auch nicht im Geringsten, die beiden aufzusuchen. Auf der Heimfahrt waren wir sehr lustig. Eine poetische Stimmung ergab sich keinen Augenblick. Ich dichtete deshalb nur ein paar Strophen für mein Singerlein, die ich aber wahrscheinlich nicht brauchen werde. Für mich war also der Ausflug nicht sehr erfolgreich. Am Montag war ein lustiger Brief von Liesel da. Am Nachmittag war Mushy in Cranz, brachte ihr Verschiedenes, was sie brauchte; sie fand sie sehr vergnügt. Ich arbeitete Montag und Dienstag sehr fleißig an meinem "Ballkorb", dennoch glücklich bis auf die letzte Perlenverzierung fertig geworden ist. Gestern Abend waren wir mit Hüter und Lemke im Garten von Eckhardts. Wir waren eine sehr vergnügte Gesellschaft. Tante hat die Fotografien entwickelt. Mama und Fräulein Wermcke sind ausgezeichnet. Auch ich soll gut sein. Unzufrieden waren Miezel und Hüter. Sie ist auch nicht günstig. Hüter war entsetzt über seine Nase, die von der Sonne grell beleuchtet, wie jemand sagt, unwillkürlich an den Montblanc erinnert. Hüter war übrigens trotzdem recht vergnügt. Er gratulierte Herrn Lemke zu seiner Verlobung mit Mietzel, wovon man ihn in der Stadt erzählt habe. Man habe die beiden auf einsamen Pfaden gesehen und die Sache kombiniert. Lemke lachte zuerst, gestand dann aber, dass man ihm gleichfalls vor kurzer Zeit gratuliert habe. Das gab dann zu allerlei Neckereien Anlass. Es war 12 Uhr, als ich das Fenster zur Nacht öffnete und einem herrlichen Halbmond „Gute Nacht" sagte.


15.7.1901 Gestern Sonntag um 4 Uhr aufgewacht. Herrliche Morgensonne! Schien durch´s geöffnete Fenster mit heruntergelassener Spitzengardine. Um viertel vor fünf stand ich auf. Von viertel vor sechs bis acht Uhr Radtour mit Eckhardts nach Dammkrug. Recht anstrengend. Es war gut, dass wir morgens gefahren waren, später wurde es entsetzlich heiß, so heiß, dass sich keins von der Stelle rühren wollte. Ich raffte mich zusammen und kann mir schrecklich fleißig vor, als ich, um eine Sonnabendarbeit zu beenden, drei Tiere, die ich schattiert und ausgeschnitten hatte, auf weißes Papier klebte. Nach dem Essen legte ich mich auf mein Bett. Neben mir machte Mietzel Toilette. Sie musste sich eilen, denn wir hatten schon Hüters Schritt im Korridor vernommen. Angesichts ihrer Hast empfand ich so recht das wohlige Gefühl des Ruhens. „Ich repräsentiere jetzt die Ruhe und du die Beweglichkeit.“ „Nur jetzt?" fragte sie dagegen. Als sie gegangen war, streckte ich mich lang aus und schlief ein. Sie weckte mich ungestüm um vier. Beim Kaffee - mit Schlagsahne - waren wir sehr vergnügt. Das Gespräch kam auf die Stellung der Frau zum Manne. Wir mussten oft lächeln, nur Hüter machte ein ernstes Gesicht, und das war recht komisch. Im Garten machte er dann verschiedene Aufnahmen von uns, und zum Abend waren wir bei Eckhardts. Heute stand ich ziemlich spät auf, war dann aber fleißig. Ich habe ein Stuhlgeflecht aus gelbem Papier gemacht für einen Stuhl in Erbsen und Drahtarbeit. Heute wieder entsetzlich heiß. Meine Viechereien, die er zufällig sah, haben übrigens Hüters Beifall gehabt.


16.7.1901 Vormittags eben das Singerlein beendet. Es hat 28 zweizeilige Strophen. Jetzt möchte ich gerne, dass Mietzel hereinkommt, damit ich sagen könnte: "Mietzel, ich habe auch wieder ein Gedicht gemacht". Ich habe noch genau im Kopf, was mich von den Seminararbeiten und vielen anderen zurückhält. Ich möchte gerne wissen, was darunter unter die Kategorie der tauben Blüten fällt. Es ist aber doch lustig, wenn man so etwas machen kann. Am Ende wäre übrigens Fräulein Wermke damit gedient. Ha, ich muss lachen. Ich habe Fräulein Wermke meinen Aufsatz zum Durchlesen gegeben. Er muss wohl doch nicht so schlecht sein, denn er schien ihr sehr zu gefallen; sie nickte während des Durchlesens mehrere Male beifällig. Als sie zu Ende gelesen hatte, sagte sie, sich im Gartenstuhl zurücklehnend: "Weißt du, Ottilie, du schreibt doch so gern und so hübsch, Du könntest doch einmal eine Erzählung für Kinder schreiben. Ich übernehme es, sie an eine Jugendzeitschrift einzusenden." Ich musste laut lachen." Ich würde mich freuen, deinen Namen gedruckt zu sehen." Ich sagte, daran sei mir absolut nichts gelegen, ich würde mir aber die Sache überlegen. Soll und Haben habe ich beendet und das Buch mit großem Bedauern aus der Hand gelegt. Mir gefallen gut Anton, Sabine und Bernhardt, für Fink konnte ich mich nicht begeistern.


18.7.1901 Heute Vormittag saß ich am Sekretär, um zu arbeiten. Ich arbeitete aber nicht, sondern wartete, dass Herr Ruff zur Gartentür von Eckhardts, wo ich ihn hineingehen gesehen hatte, herauskommen sollte. Tante Grete hatte Besuch von ihrem Vater, er heißt Herr Ruff und ist Schauspieler. Nach dem Tee kamen Herr Ruff und Eckhardts zu uns herüber. Er gefiel uns allen sehr gut. Ein straffes, etwas verfallendes Gesicht, an das des alten Goethe erinnernd, ein angenehmes, volles Organ kennzeichnen ihn als Schauspieler. Von dem, was man Schauspielerallüren nennt, hat er nichts an sich, sondern macht vollständig den Eindruck eines feinen Herren. Obgleich Eckhardts merken ließen, dass sie in Eile seien, unterhielt sich Herr Ruff so ruhig und liebenswürdig, erkundigte sich teilnahmsvoll nach den Söhnen, von denen er die drei ältesten kannte, das er Mama für sich gewonnen hatte, als er sich mit einer Entschuldigung wegen der Kürze seines Besuchs verabschiedete. Hernach ging ich mit Mama in die Stadt, und als ich nach Hause heim kam, klimperte ich bis zum Abendbrot Klavier. Ich übte mir ein aus einem Choralbuch, dass ich unter Mietzels Noten fand, " O Gott du frommer Gott". Am Abend war Hüter bei uns. Am andern Tag, also gestern Nachmittag waren Mietzel und ich in Cranz. Wir fanden Liesel sehr vergnügt. Am Montag kommt sie wohl nun zurück. Auf der Rückfahrt saßen wir in einem Coupé mit Schauspielern vom Julchental, zwei Herren mit ihren Damen. Einen von ihnen, einen schwarzen Mephisto ähnlichen Gesellen der sich aber als komischer, lustiger Vogel entpuppte, kannte ich von der Straße. Ihm mochte es mit uns ebenso gehen; denn als wir noch einmal heraustraten, um Liesel Adieu zu sagen, hörte ich eine von Ihnen sagen „Ich kenne die Damen von Mittelhufen". Es war eine lustige Fahrt. Die Schauspieler neben uns gaben einander nichts nach an Munterkeit und trockenen Aufgeben der faulsten Witze." Welches Öl brennt nicht?" fragte eine Dame. " Israel" gab sie nach ein paar Minuten zur Antwort. Ihr Galan revanchierte sich mit der Frage: "Für welchen Dichter schwärmen die Hühner?" „ Die Hühner?-die Hühner!" Kam gedehnt ein verschiedenstimmiges Echo –„Für Körner". Bei den komischen Bewegungen, Gesicht und Redensarten, besonders des Schwarzen, den seine Dame „Robert“ nannte, war es uns oft schwer, ernst bleiben. Er war aber sehr liebenswürdig und half, als wir uns zum Aussteigen anschickten, Mietzel ins Jackett. Das machte mir fast Lust, auch das Meine anzuziehen, aber ich ließ es dann doch. Am Bahnhof erwartete uns Herr Hüter mit zwei schönen Rosen, eine für jede von uns.

Heute Vormittag war ich beim Zahnarzt. Auf dem Rückweg traf ich den schwarzen Robert mit seiner Dame, er sah mich aber nicht. Heute beim Mittagessen, bei dem übrigens Martha Gillet auch da war, brachte Mietzel eine heftartige Menge von Zetteln des Zirkus Barum. Ich hoffe, dass wir uns die Sache ansehen werden.


23.7.1901 Die Tage, die seinem Besuch bei uns folgten, sahen Herrn Ruff des Öfteren bei uns oder im Eckhardt´schen Garten. Einen Vormittag verbrachte ich allein mit ihm und Tante Greti und konnte sein angenehmes Gespräch recht genießen. Von Bühne kamen wir auf Literatur. Ich habe mir nun der Wissenschaft halber so etwas, und zwar den "neuen Don Quixote" kommen lassen. & Bände! Bin sehr gespannt, ob ich durchkomme. Liesel ist nun wieder hier. Wir holten sie gestern. Waren sehr vergnügt, besonders im Bad, das trotz arger Kälte und gegen unseren Willen eine halbe Stunde dauerte. Die Folge davon ist, dass ich nun ein schauderhaft steifes Genick habe. Heute zeigte ich Liesel meine drei Tiere, eine Bachstelze, eine Gazelle und einen Frosch, über die sie zu meiner Freude in wahres Entzücken geriet.


25.7.1901 Georgs19 Geburtstag. Bei entsetzlicher Hitze verbrachten wir drei den gestrigen Nachmittag oben in der Turmstube. Mietzel, in einem der Hitze und künstlerischen Betätigung entsprechenden Kostüm, stand vor ihrer Staffelei und arbeitete an der Kopie der Böcklin´schen „Herbstgedanken“. Liesel lag mit etwas wirrem Haar und der Hitze wegen absichtlich derangierter Toilette auf der Chaiselongue und las „Schubart und seine Zeitgenossen“20.

     
  Ottilie, Marie und Elisabeth Lemke Ottilie, Marie und Elisabeth
     

Ich saß am Schreibtisch mit dem „Neuen Don Quixote“ von Hackländer21. Dabei unterhielten wir uns und lasen uns gegenseitig bemerkenswerte Stellen aus unseren Büchern vor, Mietzels vor kurzem getanen Ausspruch, sie könne am besten arbeiten, wenn sie ungestört sei, wenig beachtend. Sie nahm auch eifrig an der Unterhaltung teil. Dabei ging sie im Zimmer hin und her, und oft musste ich meinen Stuhl ein wenig rücken, wenn sie mir gar zu nahe kam, um ihr Bild aus der nötigen Entfernung zu betrachten. Wir waren nicht wenig erstaunt, als Fräulein Wermke, die aus dem Nebenzimmer zu uns trat, eine Bemerkung über unsere recht laut geführte Unterhaltung machte. Liesel, die sich in ihrer Ruhe wenig stören ließ, versicherte ihr, sie solle ruhig zuhören, sie könne nur profitieren. Angelegenlichst bat sie Fräulein Wermke zu bleiben, sie habe es außerordentlich gern, wenn die Familie sich um sie versammle. Wir mussten alle herzlichst lachen und zugeben, dass sie in Cranz ihren Übermut keineswegs eingebüßt habe. Nach dem Tee begaben sich die Beiden wieder nach oben. Ich gab mir einen hörbaren Ruck und legte den Roman, der mich trotz seiner Ausführlichkeit und Naivität interessierte, zur Seite und ging an meine leidigen Erbsenarbeiten. Sie wurden dann glücklich bis auf den kleinen Tisch fertig. Zum Unsinn machte ich dann noch eine Puppe aus Draht und Erbsen, der ich zwei große, blaue Perlen als Augen in den Erbsenkopf setzte und ein altmodisches Kleid machte. Als noch eine Haube aus weißem Seidenpapier hinzukam, sah sie aus wie des Teufels Großmutter. Als ich am Abend die kleinen Möbel und die Puppe zeigte, imponierte diese am meisten.


27.7.1901 Das Gedicht, zu dem mir der Gedanke beim Abschied der „Herbstgedanken“ kam, und dass ich stenographisch vorzeichnete, ist fertig. Ich freue mich darüber, denn dieses kleine schemenhafte Wesen war so schwach, dass ich nicht glaubte, es würde am Leben bleiben.

Herbstgedanken

Spät am Abend auf schweigender Aue
Ruht die Dämmerung. Es streift durch die Flur
Ein leises Wehen, der letzte Odem
Ist´s der erblassenden, müden Natur.

Im dunklen Haar einen glänzenden Reifen,
Die edle Hand am gesenktem Kinn,
Schreitet am Rande des verstummten Baches
In schweren Gedanken ein Jüngling dahin.

Ein Priester des Lebens im Reiche des Todes,
Im wertlosen Schutte ein Diamant.
Über sterbenden Blumen, verblich´ne Blätter
Streift das weiße, reiche Gewand.

Der Todesengel geht durch die Fluren,
Es steigt aus dem Bache wie Modergeruch;
Was heute noch atmet, was heute noch sich freuet,
Bald deckt´s ein gemeinsames Leichentuch.

Auch du in Jugendfülle, im Glanze
Der schönen Gestalt, anmutig und hehr
In deiner Kraft zu fühlen, zu ahnen,
Sinnender Jüngling, du bist nicht mehr.

Vor der Staffelei mit den "Herbstgedanken" las ich Mietzel diese Zeilen vor; nach einigen Änderungen ließ sie sie gelten.


1.9.1901 Auf besonderem Zettel


Zur Dämmerstunde im hohen Kamin
Glüht ein verstohlenes Feuer.

Es geht durch den Raum ein Rauschen dahin,
Als wär es hier nicht geheuer.

Es knattert und knistert
Es glimmt und es glüht,

Es raunt und es flüstert
Wie Liebeslied.

Sprühender Funken irrender Schein
Erleuchtet das warme Zimmer

Und flicht um ihn und das Mägdelein
Ein Netz von goldenem Flimmer.

Was koset und fraget?
Was bebt da und lauscht?

Es zittert und zaget
Ein Herzchen berauscht.

Du hast mir entzündet Herz und Sinn,
Bist mir so lieb und so teuer ---

Zur Dämmerstunde am hohen Kamin
Glüht ein verstohlenes Feuer.


3.9.1901 Die Schule hat wieder begonnen. Fräulein Wermke ist fort und ebenfalls Herr Ruff. Und nun sieht uns eine brennende Sonne allmorgendlich die sonndurchglühte Hauptstraße hinunterwandern. Ich bin nun also bei Fräulein Schilke im Schulzimmer und muss mich, wie ich voraussah, des Öfteren ärgern. Heute sollte ich einem kleinen Mädchen - das nebenbei bemerkt kein Licht ist - im Flüsterton … Worte beibringen. Und das in einer dunklen Ecke der schwülen Stube. Mir wurde entsetzlich heiß dabei. Als ich nach Hause kam fand ich die Verlobungsanzeige von Ika mit einem Kapitänleutnant. So ist also Ihr Wunsch erfüllt, sie schwärmte immer für die Marine.


26.9.1901 Am 24. September machte ich mein Examen. Heute holte ich mir mein Zeugnis. Es ist "sehr gut". Nun ist das Ziel, das mir in der letzten Zeit so viel zu tun gab, dass ich meinem Tagebuch keine Minute mehr widmen konnte, erreicht, aber ich komme mir um kein Haar anders vor als vor acht Tagen. Mama und Mietzel sind bei den Verwandten in Paris. Was mögen diese wohl über mich erzählen. Und das soll nicht bitter klingen. Ich mag überhaupt nicht daran denken, und doch kommt mir der Gedanke oft. Der Haushalt geht wie ein aufgezogenes Uhrwerk. Aber ich habe doch gelernt in dieser Zeit. Ich weiß nun doch so ungefähr, wie viel ein Haushalt kostet, was man einigen, was man mehreren Gästen vorsetzt. Auch fange ich jetzt an, meine Träumereien, wenn auch nicht aufzugeben, so doch als solche anzusehen. Es ist auch Zeit. Neulich sagte ich Tante Grete verschiedene meiner Gedichte her, die zuletzt entstandenen Idyllen - das vom 1. September nicht - und die, die auf Mietzel und Hüter Bezug haben. Das hätte ich noch vor ein paar Wochen nicht getan, und es tat mir hernach auch leid. Sie sahen bei Licht entsetzlich fadenscheinig aus, jetzt wollen Sie mir gar nicht mehr gefallen. Tante Grete fand jedes "sehr nett". Ich sollte nun ein kleines Abschiedswort auf die vergangene Seminarzeit finden oder ein Gedicht auf den morgigen Umzug der Eckhardts machen, aber mir fällt nichts ein. Ich bin entsetzlich prosaisch geworden.

Zum 28.September 1901

Nun die sommerlichen Räume
Euch gemacht der Herbst zu klein,
Sollt ihr uns im neuen Heime
Heute recht Willkommen sein

Mög das Glück durch frohe Stunden
Euch noch leiten manch ein Jahr.
Und das Band, das uns verbunden,
Mög es bleiben wie es war!

Doch indem ihr weiter schreitet
Denket manchmal auch zurück
An das Häuschen, das bereitet
Ihr uns so viel Freud und Glück.

Oft ging´s hin und ging´s herüber
Und so sei es ferner auch!
Nimmt ins neue Haus hinüber
Uns zur Freud den alten Brauch.


10.10.1901 Mama ist nun zurück, kam am 8. an, und ich bin der Haushaltssorgen enthoben. Heute aber sah Mama die Haushaltsbücher durch. Ich hatte mich allerdings bei Mamas Genauigkeit auf eine gewissenhafte Revision gefasst gemacht, aber so hatte ich mir es doch nicht vorgestellt. Aber auch jedes Tagesresultat wurde herauf gezählt. Die Sache stimmte natürlich des Öfteren nicht, und mir wurde nicht besser. Mama lächelte bloß und meinte, man könne uns beide - Liesel und mich - noch nicht zu Kassiererinnen brauchen. Heute ist nach plötzlich eingetretenem Sturm und Regen melancholisches Herbstwetter. Wie ich dieses Wetter hasse. Es verursacht mir jedes Jahr eine schwere Stimmung.


17.10.1901 In einer Stunde ist Mietzel hier. Ob die Reise sie verändert hat? Etwas geändert an ihrer Neigung für Hüter? Mama hat uns schlimme Nachricht hierüber mitgebracht.


6.11.1901 Mietzel ist die alte. Gestern Abend war Hüter da, und es schien mir dasselbe wie früher. Aber meine Mietzel hatte jetzt die heilige Pflicht, sich selbst und an allen andern Klarheit zu verschaffen.


18.11.1901 Ich bin gespannt, ob jemand kommt. Ich habe mich auf eine Annonce gemeldet nach der eine gütige Dame gesucht wird, die einem armen Mädchen Nachhilfestunden erteilt. Jetzt muss ich noch zur italienischen Stunde etwas tun. Mietzel gibt uns diesen Winter italienisch, Tante Grete und mir, aber Tante macht es viel besser als ich. Wir drei haben eine Zeitschrift gegründet: "Das Turmzimmer", erscheint alle 14 Tage, nächsten Sonntag zum ersten Mal. In eben dem Blatt soll meine Novelle „Unter Fremden“ erscheinen.

Die ersten Blätter habe ich bereits an die Redaktion geschickt, dazu ein Widmungsgedicht und ein Rätsel. Die Skizze "Ganz gewiss" soll etwas geändert in die Weihnachtsnummer. Ich muss aber noch ein Gedicht "Totensonntag" fertig machen, das Blatt erscheint ja am Totenfest. Ich bin wirklich gespannt, ob jemand kommt.


21.11.1901 Eben fertig geworden mit meiner Skizze. Kann nicht sagen, dass ich zufrieden bin. Es kam natürlich niemand. Tut mir sehr leid, es hätte mir so viel Spaß gemacht.


24.11.1901 Totensonntag

Totensonntag, stille Insel
auf bewegtem Lebensmeer.
Süße Ahnung, holder Frieden
Winkt von Deinen Ufern her.

Da zu Dir uns hingetrieben
Ewig kreisend heut die Zeit,
Sei ein Tag in Deinem Schatten
Einer kurzen Ruh geweiht.

Zephir hebt die leichten Flügel,
Uns zu grüßen leis und lind,
Und wie Bruder spielt und Schwester,
Spielt am Strande Well und Wind.

Eines Tempels Kuppel kündet
Matter, warmer Sonnenschein,
Herrlich aus dem Dunkel ragend
Über dem Zypressenhain.

Hehre Bilder, schwarze Säulen,
Weißen Marmors edle Pracht
Einen hier sich festzuhalten
Ird´sche Tugend, Schönheit, Macht.

Und die Flamme des Gedankens
Alles Große, das da war,
Nährt Erinnerung nie ermattend
Auf geheiligtem Altar.

Engelschöre singen flüsternd
Durch die Hallen ihr Gebet;
Seufzend rauschen die Cypressen,
Wenn der Wind darüber geht.

Längst verscholl´ne Stimmen werden
Plötzlich wach an diesem Ort,
Und es zieht uns von der Schwelle
Fast ein leises Grauen fort.

Einmal kommen wir ja alle,
Ruhn hier von der Arbeit aus,
Heute müssen wir noch scheiden,
Schiffen in das Meer hinaus.

Zu bekämpfen, zu besiegen
Sturm und Unbill, Sorg und Not;
Grausam heischt sein Recht das Leben,
Mild und freundlich winkt der Tod.

---

Wir werden gleich auf den Kirchhof gehen.


6.12.1901 Eine Vorstellung des "Fiesko“22, der wir am 29. beiwohnten, muss verzeichnet werden. Fiesko - ein bildhübscher 23jähriger junger Mensch, Ludwig, Sohn des Berliner Ludwig, den ich in Berlin in den „Quitzows“23 sah als Friedrich I., dito Sohn einer Schauspielerin Zipse, die seinerzeit über unsere Bühne schritt zugleich mit Tante Gretes Vater, Herrn Ruff. Dieser verliebte sich in sie und hat noch heute in einem kleinen Medaillon ein kleines Bild von ihr. So steht man in Beziehungen zur Welt. Noch am Totensonntag, acht Tage später erschien die erste Nummer des „Turmzimmers“. Im Schlafzimmer wurde sie verlesen; oben hatte der Anthrazitofen aus Mangel an Nahrung seinen Geist aufgegeben. Die Einleitung mit der Mietzel uns überraschte und in der sie besonders die trauliche Wärme des Turmzimmers hervorhob, passte nun allerdings nicht so ganz zur Situation; aber dieser Umstand grade versetzt uns in heitere Stimmung. Hervorzuheben ist eine Satire „An die …“ von M. Lemkardt und Liesels Titelblatt, die sich literarisch übrigens noch nicht beteiligt hatte. Meine Skizze wurde nicht sehr warm aufgenommen, ich bin gespannt, ob der Schluss die Meinung bessert. Meine Erzählung fand großen Beifall. Hernach wurde Caesar präpariert. Und dann ging man für den Rest des Tages zu Theodors24. Am Nachmittag in drei verschiedenen Welten. In den Tagen darauf kam die Nachricht von Josés25 Verlobung mit … was tut der Name. Am Sonntag, also Morgen, sind Mietzel und Liesel auf dem Professorenball. Ich werde die Prevosti26 in „La Traviata“ hören. Mama wollte mir an dem Abend auch ein Vergnügen machen. Auch Tante Grete durfte ich ein Billett bringen. Aber Onkel Alex ist nicht wohl, so weiß ich nicht, ob sie geht.


10.12.1901 Wir waren da. Admirable, superbe, grandiose! Hüter holte uns ab. Wie kann man unter diesen Umständen extra unliebenswürdig sein. Heute beim Wandern durch eine herrliche Winterlandschaft dichtete ich den Schluss zu einem größeren Gedicht, das mich seit einiger Zeit beschäftigt. Um die Zeilen nicht zu vergessen seien sie hier aufgeschrieben:

Und wenn Du schleichst in schneller Brüder Mitte,
Wenn schwer Dein Atem, müder deine Schritte,
Dann, Fleißiger, erwartenden Gesichts,
Schau an was Du geschafft und finde – nichts.

Und niemand nennt mit Stolz den Namen Dein,
Und niemand rühmt sich Deines Bluts zu sein.
Kein Heldenlied bewahrt in später Zeit
Dein Werk und Dich vor der Vergangenheit.

Und keines Künstlers wohlgeformter Stein
Bewahrt des Pilgers bleichendes Gebein.
Dein Nichts erkennend, großer König, stirb
Und da – des höchsten Ruhmes Kron erwirb.


15.12.1901 Sonntag. Entsetzlich viel zu tun an Weihnachtshandarbeiten. Eine Decke in Bändchenarbeit für Mama noch kaum angefangen und nun sitze ich hier und schreibe! Sünde! Ich war gestern in der Berlitz School, um mich nach dem neuen Verein zur Pflege der französischen Umgangssprache zu erkundigen. Er, der Direktor wahrscheinlich, empfing mich in einem entzückend kleinen Raum, wo er an seinem Diplomatenschreibtisch saß und offenbar seine Korrespondenz erledigte. Ich nahm in einem Sessel ihm gegenüber Platz. Wir sprachen Französisch. O, wie mir das Vergnügen machte! Er erinnerte besonders im Sprechen an Henry Duray, dem Vetter von Mademoiselle. - - Ich habe übrigens ein Titelblatt für das „Turmzimmer“ entworfen, eine chinesische Vase mit rohrartigen Pflanzen. An der Vase eine Chinesin, der ein Brief überreicht wird. Im Hintergrund Tapete mit Herzen.


10.1.1902 Nur die heiteren Seiten des Lebens sollen die Tagebuchblätter festhalten, sagte Gerok einmal, und darum habe ich nichts davon erzählt, dass Mietzel einer Einladung von Onkel Ernst27 gefolgt ist und am 3. Januar nach Amerika abgereist ist. Am 7. Juli fuhr sie von Bremerhaven ab und schwimmt jetzt auf dem Ozean. Godewind! Ich fürchte mich entsetzlich vor der zweiten Hälfte des Winters ohne sie, aber nun habe ich Mut gefasst und finde, das es geht –bis jetzt bien entendu. Am 2. erschien noch einmal das „Turmzimmer“. Am 1. abends, während Eckhardts bei uns waren, weil Walter und Mietzel ein neues Couplét „Zwei dunkle Augen“ probierten, hatte ich oben im Turmzimmer mit aller Macht an meinem großen Gedicht gearbeitet und dieses bis auf wenige Zeilen fertig gestellt. Es konnte also noch in die Nummer 2 kommen. Ich glaube, die beiden waren doch etwas erstaunt, als ich es vorlas. Ich musste es noch einmal lesen und verschiedene Stellen erklären. Ich freute mich sehr. Freitag fuhren Mietzel und Walter ab. Am Sonnabend und Sonntag dachte ich die ganze Zeit an die beiden. Wie die Tage eigentlich vergingen, weiß ich nicht, jedenfalls recht langsam. Montags war ich den ganzen Vormittag unten bei Tante Grete zur Schneiderstunde. Nachmittags Latein, Dienstag d. 7. nahm ich die erste Zeichenstunde bei Frau Krauskopf. Ich fing an einen Grütznerschen Jägerkopf zu kopieren. Dienstag vormittag Italienisch mit Tante Grete. Mittwoch vormittag Strümpfe für Georg mit seinem Namen gezeichnet, nachmittags Rollen für das englische Kränzchen abgeschrieben. Donnerstag Latein. Die Hauptsache der Woche will ich nicht vergessen: Donnerstag abend begab ich mich in die Berlitz School. Ich habe zum Geburtstag die Erlaubnis erhalten in den französischen Verein einzutreten. Der Direktor gefiel mir wieder ganz gut. Er ging von einem Tisch zum anderen und sprach überall ein paar liebenswürdige Worte, un homme du monde accompli. Besser noch gefiel mir ein Italiener, den ich wegen seinem brillanten Französisch für einen Franzosen hielt. Ferner bemerkte ich zu meiner Freude den Maler Kado28. Ich war ganz unter Bekannten. Von Mietzel war heute ein langer Brief da. Sie war bis Southampton noch nicht seekrank gewesen.


15.1.1902 Gestern war es wieder reizend in der Berlitz School.


26.1.1902 Liesel liegt zu Bett, gerade vor unserer Gesellschaft, und ich bin zu Hause geblieben. Ich habe den ganzen Tag nicht viel getan neben dem Wegräumen der täglichen Dornen. Nur eine Pelzmütze neu garniert und ein Gedicht gemacht. Und das ist auch noch nicht ganz fertig. Ich werde es „Finsteres Bild“ nennen. Es stellt zwei Spieler dar, "hinter einem der Teufel, hinter anderm der Tod". Es hat vier Strophen. An den beiden ersten arbeite ich noch, die anderen sind vorläufig so:

Der andere lächelt. Er hat schon oft
Gebebt, verzweifelt und wieder gehofft.
Getreu seinem Wahlspruch „ Lug und Trug“
fand er leichtsinnige Toren noch immer genug.

Von Habgier mit Schadenfreude gesellt
Das braune Gesicht und den Blick entstellt,
Zählt er sein Gold mit zitternder Hand,
Wähnt fest an sein Wagnis das Glück gebannt.

Bald einen Schlag auf den Tisch, bald ein gräßlicher Schwur.
Mitternacht kündet mahnend die Uhr.
Der mit dem bleichen, verzerrten Gesicht,
Erblickt er wohl morgen das Tageslicht?

Und Du, mit dem wilden, gierigen Blick!
Nur weiter Gesell, du kannst nicht zurück.
Sie spielen wohl fort bis zum Morgenrot,
Hinter einem der Teufel, beim andern der Tod.



7.7.1902

Er ist nicht mehr, der uns in sel´gen Tagen
Am Strande gehalten mit Zaubermacht,
Er ist nicht mehr, der unsre Herzen schlagen,
Der glühend unser Blut gemacht.

Er ist nicht mehr. O lehrt das Wort mich fassen;
Noch dünk mich´s eitler Wahn, verwehnder Hauch.
Der Geistgeborne mußte auch verblassen,
Es ward für ihn geschärft die Sense auch?

Er ist nicht mehr. Ich such umsonst auf Erden,
Ich such vergebens in des Himmels Raum.
Er soll nie mehr uns fühlbar werden?
O Gott, erweckt mich, sprecht, es war ein Traum.

War ich Dein Schöpfer? War in Dir mein Leben?
Dein Lebensengel meines Hauchs gebläht?
Wie ist´s, hast Du mir Lebenskraft gegeben,
Die mit dir kam und nun mit dir vergeht?

Wärst du ein Mensch, dort oben zu genesen,
So wollt ich sprechen: Kehr, den Armen holt - !
Du kannst nicht aufersteh´n, du bist gewesen.
In alle Zeit und Ewigkeit fahr wohl!



--- Nachwort von Ottilie Lemke ---

Auf demselben Blatt, das dieselben winterlichen Eintragungen enthält, und doch nach einer Unterbrechung von sechs Monaten folgt das fantastische Gedicht. Gemeint und angeredet ist der Sommer des vergangenen Jahres, dem allerdings der Niederschlag in den Tagebuchblättern nicht ganz gerecht geworden ist.

Damit schließt das Tagebuch.



Lebenslauf

(Erstellt von Dr. Ottilie Lemke nach ihrer Promotion zum Dr. phil.)

Am 27. Dezember 1881 wurde ich in Königsberg in Preußen als Tochter des Kaufmanns Georg Friedrich Lemke geboren. Bald nach der Geburt erkrankte ich am linken Auge und trage als Folge davon seit frühester Kindheit ein künstliches Auge. Den Unterricht der Unter- und Mittelstufe erhielt ich mit meinen Geschwistern im Elternhause. Zuhause lernte ich auch Französisch und Englisch von National-Lehrkräften. Ich besuchte die beiden obersten Klassen einer höheren Tochterschule meiner Vaterstadt und vervollständigte meine Sprachkenntnisse in einem Töchterinstitut bei Miltenberg in Bayern. Bald nach dem Tode meines Vaters sah ich mich gezwungen, mich auf eigene Füße zu stellen. Ich bestand im Jahre 1906 die Lehrerinnenprüfung und war danach als Hauslehrerin und zuletzt an einer Schule tätig. Nach privater Vorbereitung bestand ich im Jahre 1912 am Realgymnasium Pasewalk die Reifeprüfung. Ich studierte während der Kriegszeit unter Schwierigkeiten und mit Unterbrechungen. 1920 bestand ich in Königsberg das Staatsexamen und 1922 die praktische Prüfung. Ich war danach noch einmal als Hauslehrerin tätig. Ostern 1924 wurde ich in den Schuldienst einberufen. Seit dieser Zeit bin ich vom Provinzialschulkollegium in Königsberg an verschiedenen Schulen in Ostpreußen beschäftigt worden. Ich bin mehrmals im Ausland gewesen, 1900 in Brüssel und Paris, 1910 während der Sommerferien in Brüssel, 1925 während der Sommerferien in London.

Am 13. Juli dieses Jahres promovierte ich in Königsberg. Sobald ich mein Diplom in Händen habe, werde ich den Titel Dr. führen.


Lebenslauf

(aus ihrer Dissertation (1929): Der historische Hintergrund zu dem Drama von Edmond Rostand „Der junge Adler" (L'Aiglon)

Am 27. Dezember 1881 wurde ich als Tochter des Kaufmanns Georg Friedrich Lemke in Königsberg in Pr. geboren. Ich besitze die preußische Staatsangehörigkeit und bin evangelischen Bekenntnisses. Ich wurde mit meinen Geschwistern im Elternhause unterrichtet bis auf ein Jahr des abschließenden Unterrichts an einer Schule. Das Jahr 1900 brachte mir einen Aufenthalt von mehreren Monaten in Brüssel und Paris. Einige Jahre, nachdem ich im Dezember 1897 meinen Vater verloren hatte, verschaffte ich mir eine Erwerbsquelle durch Ablegung der Lehrerinnenprüfung und arbeitete neben der beruflichen Tätigkeit an meiner Weiterbildung. Im Jahre 1912 bestand ich am Realgymnasium in Pasewalk die Reifeprüfung. Ich studierte in Königsberg und Kiel während der Kriegszeit unter Schwierigkeiten und mit Unterbrechungen. Im Mai 1920 bestand ich in meiner Vaterstadt das Staatsexamen in meinen Fächern, Neueren Sprachen und Geschichte. Im Jahre 1922 erwarb ich durch Ablegung der pädagogischen Prüfung die Berechtigung zur Lehrtätigkeit an höheren Schulen. Ostern 1924 wurde ich in den Schuldienst einberufen. Seit dieser Zeit bin ich an verschiedenen Schulen meiner Heimatprovinz beschäftigt worden. Zweimal habe ich die Sommerferien zu einer Auslandsreise benutzt; 1910 war ich in Brüssel und 1925 in London.


Bilder

1885 1919



1929 1966


Nachwort

Diese Tagebuchblätter fanden sich als Schreibmaschinenabschrift im Familienarchiv von Eckhardt Sehmsdorf in Quedlinburg. Sie tragen handschriftliche Anmerkungen von Marion Sehmsdorf, geb. Bock, der Nichte von Dr. Ottilie Lemke. Diese Anmerkungen sind hier nicht wiedergegeben.

Die Bilder stammen von der Homepage von Jost Schaper und dem Familienarchiv in Quedlinburg.

Die Kommentierungen in den Fußnoten dienen dem Verständnis der familiären oder historischen Zusammenhänge, und geben Informationen über Personen des öffentlichen Lebens, die in den Tagebuchblättern Erwähnung finden.

Dr. Ottilie Lemke (geb. 27.12.1881 in Königsberg/ Ostpreußen) ist die jüngere Schwester unserer Urgroßmutter Dr. Marie Adelgitha Bock, geb. Lemke.

Dr. Ottilie Lemke war über lange Jahre Privatlehrerin in Wehrda bei Hünfeld. Zahlreiche Dokumente aus ihrem Leben sind vorhanden und im Besitz von Jost Schaper.

Sie starb 1965 und wurde in Bad Pyrmont beerdigt. Ihr Grabstein befindet sich nun – nach der Auflassung der Grabstätte – im Garten des Birkenhauses in Bad Pyrmont.

Wunstorf, im September 2008 Dr. Martin Melzer


1 Paul Hüter ist wohl als „Erste Liebe“ der Schwester Marie Lemke zu bezeichnen. Marie Lemke selber widmet ihm in ihren Lebenserinnerungen ein eigenes Kapitel. Die Verbindung bestand vom Herbst 1900 bis zum Herbst 1901. Danach löste Marie von sich aus die Freundschaft auf.

2 Martha Gillet ist eine enge Freundin der Schwester Marie. Ein Onkel von Martha Gillet, der Deutsche Generalkonsul, Geheimer Legationsrat Dionys Gillet, hatte Marie 1902 nach ihrer Amerikareise nach Zandvoort, Holland eingeladen, und war in der Folgezeit, als die Firma G. F. Lemke bankrott gegangen war, ihr Gönner.

3 Schwester E l i s a b e t h Lemke, geb. 17.9.1884 Königsberg, gest. 8.11.1965 Pyrmont, verh. 13.2.1911 Königsberg mit Fritz Rudolf Jankowsky, (Dr.phil.), Schulrat in Königsberg/ Ostpreußen, geb. 22.2.1877 Eggleningken/ Ostpreußen, gest. 11.6.1941 Bad Pyrmont

4 Bruder Paul H e r m a n n Lemke, Kaufmann, geb. 18.10.1879 Königsberg/ Ostpreußen, gest. 21.12.1936, verh. mitGertrud Kaminky, Tanzlehrerin in Königsberg/ Ostpreußen

5 Bruder W a l t e r Oskar Lemke, Kaufmann, geb. 19.04.1877 Königsberg/ Ostpreußen, verh. 25.01.1910 mit Daisy Vivanti

6 Friedrich Karl (von) Gerok (* 30. Januar 1815 in Vaihingen an der Enz; † 14. Januar 1890 in Stuttgart) war ein deutscher Theologe und Lyriker.
7 Schwester M a r i e Auguste Adelgitha Lemke. Dr. phil, geb. 26.10.1880 Königsberg / Ostpreußen, gest. 18.8.1954 Einbeck, verh. mit Prof. Wilhelm Bock, geb. 14.12.1874, gest. 8.8.1954 Einbeck

8 P a u l Friedrich Wilhelm Lemke, geb. zu Pasewalk am 11. Januar 1841. Lebte als Kaufmann in Königsberg/ Ostpreußen. Bruder des Vaters Georg Friedrich Lemke.

9 Rauschen, heute Swetlogorsk (russisch Светлогорск) ist ein Badeort an der samländischen Ostseeküste im Rajon Selenogradsk, Oblast Kaliningrad. Swetlogorsk hat ca. 11.000 Einwohner.

10 Tante Johanna Marie Louise O t t i l i e Eckhardt, geb. 20.7.1855 Stuttgart, gest. 16.3.1931 Baden-Baden, verh. 1. 8.4.1875 Stuttgart mit Albert Emil Petzke, geb.30.12.1845 in Pillau, gest. 3.11.1883 in Königsberg; mar 2. am 8. März 1889 in Rothenstein bei Königsberg/ Ostpreußen W.0. Goerke, Besitzer von Rothenstein bei Königsberg, geb 4. April 1832, gest. 4. Juli 1909 in Bad Sachsa

11 Onkel Alexander Eckhardt, geb. 18.06.1849, gest. 13.01. Königsberg/ Ostpreußen, Kaufmann und amerikanischer Konsul in Königsberg/ Ostpreußen, mar. Greti Ruff

12 Mutter Marie Eckhardt, geb. 26.5.1848 Stuttgart, gest. 30.1.1937 Königsberg/ Ostpreußen, verh. 6.5.1873 Stuttgart mit G e o r g Friedrich Lemke

13 Julchental (heutzutage ul. Schewtschenko — Zentraler Kultur- und Erholungspark)

14 Eine Freundin

15 Frl. Wermke war ehemals die Privatlehrerin der Lemke-Kinder. In der Zeit der Tagebuchblätter war sie in einer Schule in Königsberg angestellt.

16 Der Schauspieler Rudolf Christians (1869-1921) feierte große Erfolge auf Deutschlands Bühnen, ehe er sich 1913 auch dem Film zuwandte. Schließlich ging er nach Amerika, wo erDirektor des Irving Place Theatre war. Dort setzte er seine Filmlaufbahn erfolgreich fort. Rudolf Christians erlebte die Aufführung seiner letzten Produktion, die von Anfang an als Werk der Superlative galt, nicht mehr. Er verstarb noch während der Dreharbeiten an den Folgen einer Lungenentzündung. Rudolf Christians war mit der Schauspielerin Bertha Klein verheiratet. Seine Tochter Mady Christians wurde ebenfalls eine berühmte Schauspielerin, sowohl in Deutschland als auch in den USA.

17 Warnicken, Oberförsterei im preußischen Regierungsbezirk Königsberg, Kreis Fischhausen, an der Ostsee und der Kleinbahnlinie Königsberg-W., hat ein Seebad und 50 Einwohner (Meyers Großes Konversations-Lexikon 1905)
18 Roman von Gustav Freytag (* 13. Juli 1816 in Kreuzburg, Oberschlesien, heute Kluczbork; † 30. April 1895 in Wiesbaden) war ein deutscher Schriftsteller.
19 Bruder Ernst Erich G e o r g Lemke, Kaufmann, 25.07.1875 Neuhäuser/ Königsberg/ Ostpreußen, † nicht bekannt, verh. mit Elise Plehn

20 Historischer Roman von A. E. Brachvogel

21 Friedrich Wilhelm von Hackländer, 1816-1877, Schriftsteller, Roman "Der neue Don Quixote"

22 "Fiesko“ Die Verschwörung des Fiesco zu Genua ist das zweite vollendete Drama Friedrich Schillers. Er begann das Stück, das sich an die historische Verschwörung des Giovanni Luigi de Fieschi gegen Andrea Doria in Genua des Frühjahrs 1547 anlehnt, nach der Premiere seiner Räuber 1782.

23 „Die Quitzows“ von Ernst von Wildenbruch (1845–1909)

24 Freundin Meta Theodor

25 Gemeint ist vermutlich José Vianna da Motta. José Vianna da Motta (geb. 22. April 1868 auf der Insel Saõ Thomé, Portugiesisch Westafrika, gest. 1. Juni 1948 in Lissabon, Portugal) ist ein portugiesischer Pianist, Komponist und Autor. Er studierte in Berlin bei Franz Xaver Scharwenka, und in 1885 war er der letzte Schüler von Franz Liszt. In 1886 studierte er zusammen mit Menter in Berlin und 1887 war er ein Schüler von Bülow in Frankfurt. Zwischen 1887 und 1902 unternahm er zahlreiche Konzertreisen durch Europa, die Vereinigten Staaten und Südamerika. Bis 1915 wohnte er in Berlin. Er wurde Direktor des Genfer Konservatoriums in der Schweiz. 1919 - 1938 war er Direktor des Lissabonner Konservatoriums. Er war ebenso ein profilierter Komponist und schrieb viele Artikel in deutsch und französisch. Er war verheiratet mit Marie M a r g a r e t h e Lemke, geb. zu Leipzig am 31. März 1858, gest. November 1900 (Herzlähmung). Es existiert ein Photo der beiden im Familienarchiv bei Eckhardt Sehmsdorf, Quedlinburg.

26 Prevosti, Franceschina [Sängerin, Gesangspädagogin] 1867-1939

27 Onkel E r n s t Eduard Lemke, geb. zu Pasewalk am 19. März 1844. Buchhändler in New-York (Firma: B. Westermann & Co.). Ehefrau: Adelgitha, geb. B l a ck w e l l, geb. zu Penny-Bridge (New-York) am 30. Januar 1849.

28 Eduard Kado (* 15. August 1875 in Memel; † 2. Januar 1946 in Lübeck) war ein deutscher Maler, Zeichner, Bildhauer und Kunstgewerbler. Von ihm existiert ein Gemälde der Schwester Elisabeth, 1899, Öl auf Leinwand, 60×50 cm (bei Jost Schaper).