Eggleningken - Kiefernberg

Geburtshaus von Dr. Rudolf Jankowsky

Der Hof Welbat / Jankowsky wurde um 1900 an Herrn Ackermann verkauft.
Dieser wiederum verkaufte an Herrn Reiner(Beschreibung des Hofes), der den Hof 1945 auf der Flucht vor den Russen verlassen musste.
(Die Eltern Jankowsky kauften sich das Haus Lindenstraße 12 in Tilsit, wo sie bis zu ihrem Tode 1920, bzw. 1924 wohnten.
Erika Wicker, geb. Reiner, wohnte dort als junges Mädchen vor dem 2. Weltkriege, als sie in Tilsit zur Schule ging.)

Das Wohnhaus wurde im 1. Weltkrieg teilweise zerstört, was die über 90-jährige Frau Maria Friedrich, die ich ca. 1980 in Cuxhaven besuchte, so beschrieb: "Das Haus war zur Hälfte abgebrannt. Wie mit dem Messer durchgeschnitten. Der zerstörte Teil wurde identisch wieder aufgebaut".

Skizze, aus dem Gedächtnis von Erika Wicker angefertigt ,
zeigt den Zustand 1945
   
Wohnhaus, Hofseite nach Norden
vorn, links, der Kastanienbaum
rechts, hinter dem Haus die Silberpappel
Wohnhaus, Westflügel
links Scheune, Mitte Instwohnhaus, rechts Birkenwäldchen Mitte Wohnhaus
   

Frau Erika Wicker, geb. Reiner schickte mir 1988 eine Beschreibung des Hofes ihrer Eltern:

Mein Vater verfügte über einen für damalige Verhältnisse modernen Maschinenpark wie Dreschkasten, Höhenförderer, Selbstbilder usw., die in der Feuerversicherungspolice aufgeführt und damit versichert waren und dem Antrag beigefügt waren. Trotzdem belief sich die Höhe der bewilligten Entschädigung für den gesamten Besitz nur auf den Betrag, den mein Vater allein für die Drainage der Felder aufgewendet hatte.


Das Gut meiner Eltern war als Mustergut aus gezeichnet und bestand aus Wohngebäude, Viehstall mit Selbsttränken, Jauchegrube und Silo für Grünfutter, Scheune, Pferdestall mit Speicher und Mühle und Schweinestall mit dem angrenzenden Holzschuppen, einziges Überbleibsel des 1. Weltkrieges.
Mitten auf dem Hof stand noch ein wesentlich später gebauter Wagenschauer mit Scheune und Garage sowie Insthaus mit Stall ca. 100 m abseits des Hofes.
Vater und Mutter besaßen die Lehrberechtigung zur Ausbildung von Lehrlingen für Land- und Hauswirtschaft . So waren meistens bis zu 4 junge Leute bei uns zusätzlich zu den ständigen Arbeitern und den meist polnischen Schnittern während der Erntezeit.

In den Ferien habe ich gern nachgeharkt, d.h., mit der Harkmaschine fuhr ich hinter den zu beladenden Fudern mit Heu oder Getreide her, um das verstreute Erntegut zu sammeln, damit nichts verloren ging.
Ich erinnere ich mich daran, wie unmittelbar hinter der Maschine mehrere Störche stelzten und die aufgescheuchten Frösche, Mäuse und Kleingetier fingen und in ihren langen Schnäbeln verschwinden ließen. Auf der Scheune von Friedrich nistete immer ein Storchenpaar, dessen Ankunft wir Kinder im Frühjahr freudig begrüßten.
Die beiden älteren Brüder besuchten die ersten 3 bzw. 4 Jahren die einklassige Dorfschule im Nachbarort Kögsten. Dorthin führte ein im ganzen Kreis bekannter, fast immer unpassierbarer Landweg, der mancher Wagenachse zum Verhängnis wurde. Unser PKW stand deshalb meistens bei einem dort ansässigen Bauern, nur im Sommer kamen wir ungehindert zur Kreisstadt Pillkallen, Entfernung 15 km, zumal mein Vater den ca. 1 km langen Weg zum Dorf auf eigene Kosten befestigt hatte und der Weg über Spullen bis zur Steinchaussee besser war.
Der Winter brachte auch Probleme wenn die Straßen meterhoch zugeweht waren.
Schweine und Kühe hatten es dann gut, denn sie bekamen die viele Milch, die eigentlich in die ca. 4 km in Spullen entfernte Molkerei geliefert werden musste, zu saufen.
Vor dem Krieg butterten wir selbst und lieferten zentnerweise Butter nach Tilsit oder direkt an Privatkunden.

1 - 2 mal im Jahr wurde geschlachtet, meine Mutter verstand es, wunderbare Rauch-, Leber-, Blutwurst und Konserven selbst, ohne die Hilfe eines Fleischers herzustellen. Man war eben weitgehendst Selbstversorger, das galt auch für die Brotherstellung.
Im Keller gab es einen großen Backofen, da wurde alle 10-14 Tage herrlich duftendes Schwarzbrot gebacken, während Kuchen und Weißbrot im kleineren elektrischen Ofen gebacken wurde.
Der große Gemüsegarten lieferte frisches Gemüse aller Art. Aus dem Frühbeet gab es zu Ostern den ersten zarten Salat, eine Köstlichkeit in damaliger Zeit. Im Zier- und Obstgarten blühten herrliche Blumen, Stauden, Büsche und natürlich viele Obstbäume. Mehrere Bienenstöcke lieferten frischen Honig.
Obgleich reichlich Beeren im Garten reiften, ließen wir es uns nicht nehmen, im nahen Wald Erdbeeren und vor allem Himbeeren zu sammeln. Dort nisteten auch hunderte von Krähen, die auf den neu eingesäten Feldern nicht unerheblichen Schaden anrichteten.

Mein Vater war ein erfolgreicher Viehzüchter, belieferte regelmäßig oft auch preisgekrönte junge Zuchtbullen und Sterken zu den Auktionen in Insterburg.
3 Trakehnerstuten brachten prächtige Fohlen, an denen alle wir große Freude hatten.
Ansonsten wurde natürlich sämtliches Getreide, Hackfrüchte und Kartoffeln angebaut sowie Saatzuchtwirtschaft betrieben.

3 Landarbeiterfamilien wohnten ca. 100 m abseits des Hofes zusammen mit dem Schweizer mit Familie (Melkermeister), der weitgehendst selbständig arbeitete, manchmal auch noch einen Hilfsmelker angestellt hatte. Sie hielten in eigenen Ställen Schweine und Federvieh und zu jeder Wohnung gehörte ein kleiner Garten.
Die Männer und wenn nötig auch die Frauen und erwachsenen Kinder arbeiteten auf den Feldern, auch halfen die Freuen bei der großen Wäsche und beim Dreschen im Winter.

Was Garten und Felder nicht boten, wie Zucker, Hefe, Heringe, Süßigkeiten, Hefte, Bleistifte, Eimer usw. wurde im Krug bei Theophils geholt, die natürlich eine Gaststube hatten, wo auch ab und zu ein zünftiger Skat gedroschen wurde, dessen letzte Runde manchmal erst im Morgengrauen endete.


Über die Dorfbewohner kann ich wenig berichten, ich hatte kaum Kontakt wegen meiner ständigen Abwesenheit.
In den großen Ferien genossen wir die ländliche Freiheit in vollen Zügen.
Leider sind beide Brüder, der älteste war Tierarzt, der 2. sollte den Hof übernehmen im Krieg gefallen, auch mein Mann, Dipl. Landwirt, starb 1947 an seinem Kriegsleiden und ließ mich mit 2 kleinen Kindern allein.


So ging am 21.10.44 ein mit so viel Fleiß und Können aufgebautes Lebenswerk verloren.

Mir schnürt sich heute noch die Kehle zusammen bei der Vorstellung mit welchen Gefühlen mein Vater wohl durch die Ställe gegangen ist, die Türen geöffnet und die Tiere nochmals gefüttert und getränkt hat um sie dann losgebunden ihrem Schicksal zu überlassen.

Vielleicht hat ihm das Unglück, das sich in den letzten Tagen ereignete, diesen Schritt etwas erleichtert. Eines unserer jungen weiblichen Lehrlinge wollte durchaus entgegen der Warnung meiner Mutter zusammen mit meinem Vater nach draußen gehen um zu sehen, was für ein Flugzeug dort brummte.
Beide standen in der Hofauffahrt als ein pfeifendes Geräusch in der Luft war. Mein Vater schrie: Hinwerfen und ließ sich fallen, Ruth blieb stehen und wurde von einem Bombensplitter tödlich getroffen.


Wenn der Gauleiter Koch nicht durch Androhung der Erschießung, bei Zuwiderhandlung eine frühzeitige Flucht verhindert hätte, wäre manche Menschenleben und: viele Werte gerettet worden.


Der Tod eines meiner Brüder hat meine Eltern vor der ungewissen Flucht bewahrt.
Auf die Todesnachricht hin, verließen sie ihren Evakuierungsort vor Königsberg um Weihnachten mit mir in Fritzlar zu verbringen. Als sie wieder zurückfahren wollten, bekamen sie keine Fahrkarten und 2 Koffer waren ihr ganzer Besitz.


Zum Schluss möchte ich ein paar Zeilen aus dem. Buch: Stille Jahre in Gertlauken, Erinnerungen an Ostpreußen von Marianne Peyinghaus anfügen, die so treffend die Situation beschreibt:


Wer hat jemals von E. gehört! Ein weltabgeschiedenes Nest
15 Km von der nächsten Bahnstation entfernt, im Frühling
und Herbst nur über verschlammte Straßen und im Winter
nur durch hohen Schnee, am besten mit dem Pferdeschlitten zu erreichen.


In Sommer freilich eingehüllt in Vogelsang, Bienengesumm
und Heuduft, auf seine Art gewiss eine Idylle, zumal
mitten im Kriege und sicherlich ein Fleckchen Erde, wo
Fuchs und Has' sich Gutenacht sagen.

 

   

 

 


Letzte Aktualisierung: 04.02.2009