Mein Weg nach Eggleningken (Kiefernberg)

 

 

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Eggleningken

Eggleningken, ein Wort, das man sich auf der Zunge zergehen lassen kann, ein Wort, das eine unbestimmte Saite in mir anrührt und mich nicht mehr in Ruhe läßt. Aber was ist das, was verbirgt sich dahinter?

Mein Großvater, Schulrat Dr. Rudolf Jankowsky aus Königsberg, 1936 pensioniert und mit Familie und gesamtem Besitz nach Pyrmont verzogen, war früh verstorben. Viel zu früh, so bedauerte ich als Kind, denn ich hatte ihn nicht mehr kennenlernen dürfen. Die Geschichten über und um ihn spielten in den verschiedensten Gegenden, Mohrungen, Tilsit und Königsberg hießen die Orte, auch von den Urgroßeltern, dem Obst und der Omama hörte ich. Sie verbrachten das Alter in Tilsit, Lindenstraße 12.

Irgendwann später begann ich damit, Daten und Unterlagen meiner Familie zu sammeln, Bilder, Photos, Gegenstände, die für meine Umwelt von geringer, für mich jedoch von großer Bedeutung waren. Dabei stieß ich zum ersten Mal auf den Begriff Eggleningken: nicht nur er, mein Großvater, sondern auch die gesamte Familie seiner Mutter stammte aus Eggleningken.


Wiederum einige Zeit später, bekam ich von meiner Mutter ein kleines Heftchen geschenkt. Dort hinein hatte mein Großvater als junger Mann, aber bereits Student, seine Eindrücke von einer einsamen Wanderung durch Masuren geschrieben. Zusammen mit meiner Mutter wurde das Geschriebene entziffert und in die Maschine getippt. Dabei entstand vor meinen Augen ein Mensch in den ich mich hineinversetzen konnte. Ein Mensch aus Fleisch und Blut, teils schwärmerisch, teils nüchtern. Das verstand ich.


Nun begann ich zu fragen. "Wo ist Eggleningken? Aber seltsam, niemand konnte es mir sagen. Der Hof war etwa 1900 verkauft worden, außer meiner ebenfalls verstorbenen Tante Urte Schoening war niemand dort gewesen.
Hinzu kam, daß die alten Ortsbezeichnungen 1937 oder 1938 geändert worden waren, keine Karte trug mehr die vertrauten Namen, nur Gumbinnen, das sollte ich noch finden. In einer alten Bibliothek fand ich schließlich einen Folianten mit einer Karte der 'Provinz Ostpreußen', mit einer Unmenge von Namen, und scharf genug gedruckt, um einige der folgenden Vergrößerungen auszuhalten.


Von meinem Onkel, Hans-Georg Bock, bekam ich den Hinweis, mich an den Rautenberg-Verlag zu wenden, dort habe man sicherlich Material in Hülle und Fülle.


Sicherlich, das Angebot war gut, doch welches der Kreisbücher sollte ich bestellen?
Wie hieß es noch am Ende seiner Reisebeschreibung? "... Abends ging ich [von Gumbinnen zu Fuß] nach Hause." Das grenzte die Suche etwas ein. Eggleningken mußte in einem Umkreis von etwa 20 km um Gumbinnen herum liegen, das konnte ich annehmen, denn ein gesunder junger Mann sollte diese Strecke leicht in 2 1/2 bis 3 Stunden zurücklegen können.


Als ich kurz darauf die bestellten Kreisbücher über Gumbinnen in der Hand hielt, war ich enttäuscht, denn es fand sich natürlich nicht der geringste Hinweis auf einen Ort Eggleningken. Dennoch waren die Bücher nicht umsonst gekommen: während ich noch sorgfältig Seite um Seite durchsuchte, entstand zum ersten Mal auch ein Bild von der Landschaft in mir, Orte und Straßen wurden mir fast vertraut. Schließlich war mein Großvater in dieser Stadt zum Gymnasium gegangen, hatte dort bei Frl. Amalie Steinke gewohnt, Markt Nr.8.


Wenn Eggleningken nicht im Kreis Gumbinnen lag, dann konnte es nur im Nachbarkreis Pillkallen/Schloßberg zu finden sein, denn dort, vom königlichen Amtsgericht, waren die Urkunden ausgefertigt worden, die die Übergabe des Hofes an seine Eltern betrafen.


Schnell bestellte ich das Buch "Der Grenzkreis Schloßberg/Pillkallen im Bild", und nun wurde ich bald fündig. Zwar gab es keine Bilder vom Ort selber, aber ich wußte nun endlich wo mein Eggleningken liegt: ganz in der Nähe Kussens, des alten Kirchspiels.


Ein Brief an den Verfasser, Herrn Georg Schiller, über die Heimatstube Schloßberg, brachte nun fast eine Lawine ins Rollen. Frau Augustin, die dort die Kreisgemeinschaft betreut, schickte mir eine Liste mit Anschriften ehemaliger Bewohner, sagte bei Bedarf auch noch weitere Anschriften zu. Auf meine Briefe erhielt ich umwendend Antwort auf meine Anfragen, weitere Anschriften, Angebote für Hilfe. Wenn ich nicht nebenbei meinen Beruf gehabt hätte, hätte ich Stunden um Stunden mit dem Puzzlespiel fortfahren können, denn nun galt es den Hof zu finden.


Neben einigem unkonkretem kam der erste genauere Hinweis von Herrn Georg Friedrich aus Drochtersen, der einen Hof 'Reiner' als eben den gesuchten Hof bezeichnete. Da keine Unterlagen über den Verkauf mehr vorhanden sind, hatte ich natürlich auch keinen Anhaltspunkt für einen Namen.


Am 16.1.1988 endlich wurde meine Vermutung bestätigt, als neben einem Brief von Frau Erika Wicker, geb. Reiner, ein Brief von Frau Maria Friedrich ankam. Frau Friedrich bestätigte die Vermutung, die ich durch die Angaben von Herrn Friedrich bekommen hatte.


Der Brief von Frau Wicker enthielt sogar einige Photos, eine Skizze und Unterlagen über den Lastenausgleich.
Ich war am Ziel, hatte Eggleningken und den Hof meiner Urgroßeltern gefunden. An diesem Abend bin ich, mit Hilfe eines Meßtischblattes, der Skizze und Bilder in Eggleningken und auf dem Hof "spazieren gegangen".

Jost Schaper, Bad Pyrmont, 03.05.1992