Brandenburger
Biberacher Patrizierfamilien

 

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Kunstmäzenaten in Biberach

1988 wurde der Biberacher Öffentlichkeit das ehrwürdige Bürogebäude des „Klösterle" nach längerer Restaurierung in neuem Glanz vorgestellt. Dieser markante Patrizierpalast am ehemaligen Grabentor, der Südpforte unserer Altstadt, verdankt zwar seine heutige barocke Form dem durch Wieland berühmten Grafen Stadion, aber der eigentliche Bauherr war Wilhelm II. von Brandenburg, einer der dreizehn Bürgermeister der Reichsstadt, die den Namen seines Geschlechts tragen. Zum Ende des 15. und dann wieder um die Wende zum 17. Jahrhundert waren die Brandenburg in Biberach die tonangebende Familie. Kaum ein Mitglied dieser Dynastie, dem nicht die höchsten Amtsehren der Stadt zuteil geworden wären. Wie ihre anfänglichen Rivalen, die Schad, kamen sie von auswärts, allerdings nicht, wie man auf den ersten Blick vermuten möchte, aus dem Land jenseits der Elbe, sondern nur von der Iller bei Ulm, wo es heute noch ein Anwesen gibt, das Brandenburg heißt. Vielleicht hat auch Brunnenburg am Inn etwas mit unserem Geschlecht zu tun. Ahnherr Eberhard I. war ein landsässiger Ritter, der am Federsee begütert war und sich Herr zu Koppel nannte. In Biberach wurde die Familie rasch heimisch. Bereits Sohn Hieronymus stieg zum Bürgermeister auf, ein Amt, das man nun für drei Jahrhunderte sozusagen in Pacht nahm. Enkel Eberhard II. war um 1440 nach Jakob Schad Biberachs zweitreichster Bürger. Anders als jene blieben die Brandenburg sich treu.

Sie gründeten auch keine Nebenlinien in anderen Reichsstädten wie die Pflummern. Aufstieg und Niedergang der Familie laufen merkwürdig parallel mit den Schicksalen der Reichsstadt Biberach, deren Selbständigkeit bekanntlich in der Länderrevolution Napoleons unterging - zur gleichen Zeit wurden die drei hoffnungsvollen Söhne des letzten Ratsherrn Brandenburg als Offiziere Opfer der damaligen Kriegsläufte.

Noch vor dem Dreißigjährigen Krieg gab es in der Stadt fünfzig Namensträger zu gleicher Zeit. Aber schon damals sind viele von ihnen als Soldaten früh dahingerafft worden. Die Familie, die auf ihren Adel immer großen Wert legte, zahlte für die Vorrechte ritterlichen Standes mit ihrem Blut. Die Brandenburg dienten nicht nur ihrem Kaiser als tapfere Soldaten, sondern gehörten immer zur Schicht der regierenden Berufspolitiker unserer Stadt. Auffallend ist unter ihren die große Zahl gelernter Juristen. Ihre materielle Sicherung beruhte zunächst auf ihrem Grundbesitz draußen auf dem Land, dann wohl auch aus Erträgen des Fernhandels. Als diese versiegten, waren sie mehr und mehr auch auf die Einkünfte angewiesen, die ihnen aus ihren wechselnden Ämtern zuflossen. Ihre entschiedene Parteinahme für den alten Glauben während der Reformationszeit ergab sich aber nicht so sehr aus dem Zwang, eine materielle Stellung zu verteidigen; sie entsprach vielmehr der immer wieder bewährten Familientradition frommer Verbundenheit mit der Kirche.

Der bedeutendste seines Geschlechts war wohl Hiltbrant, Sohn des reichen Eberhard. Schon mit fünfzehn Jahren wurde er zum Studium nach Wien geschickt. In Pavia hörte er Kirchenrecht, ging dann nach Basel und wurde dort mit 29 Jahren zum Rektor der Universität gewählt. Doch war Hiltbrant ein Kind seiner Zeit und hatte mit weltlichen Ehren nicht viel im Sinn. Er zog sich nach Biberach zurück, wo er Kaplan der Familienstiftung wurde, diente dann dem Grafen Eberhard im Bart und half ihm, die Universität Tübingen zu gründen. Am Ende seines Lebens trat er als Kartäuser ins Kloster Buxheim ein. Es war die Epoche des Humanismus - Büchersammeln war eine Leidenschaft der edlen Geister jener Zeit. Auch Hiltbrant erwarb unaufhörlich wertvolle Handschriften und Wiegendrucke, 350 an der Zahl, lauter Kostbarkeiten, die nach der Auflösung des Klosters Buxheim in alle Welt verkauft wurden. Vielleicht darf er sogar als Erfinder der künstlerisch gestalteten Buchzeichen („Ex libris") gelten. Sein eigenes Buchzeichen -ein Engel, der das Familienwappen, einen Stier mit auffallendem Nasenring, auf einem Schild vor sich hält - wurde möglicherweise von dem Biberacher Bildschnitzer Jörg Kündel entworfen. Für Buxheim stiftete Hiltbrant einen Bibliotheksraum nebst Kapelle. Wer heute das Wunder der Annakapelle des Dominikus Zimmermann bestaunt, ahnt wenig, dass Anna die Hausheilige der Brandenburg war. Auch Hiltbrants Mutter trug den Namen Anna.

Schon Hiltbrants Onkel hatte für Biberach eine Pfründe zu Ehren der heiligen Anna begründet. Die Gruppe „Heiligen Anna Selbdritt", die sich als eines der wenigen spülgotischen Kunstwerke an einem der Langhauspfeiler unserer Kirche erhalten hat, ist wohl nicht zufällig beim Bildersturm von 1531 durch einen Brandenburger „mit dem Schwert" - wie es heißt - verteidigt und vor den tobenden Volksmassen in Sicherheit gebracht worden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Bildwerk von einem Familienmitglied gestiftet wurde. Es wird Michael Zeynsler zugeschrieben, der auch sonst im Auftrag der Brandenburger gearbeitet haben dürfte. Der berühmte „Marientod" vorn Zeynsler, der heute in der Vorhalle der Magnuskirche von Bad Schussenried zu besichtigen ist, gehörte möglicherweise ursprünglich zu einem Altar der Brandenburg in unserer Martinskirche.

Die Familie hatte mehr als andere Biberacher Geschlechter ein Herz für die Kunst. Nach einmal ist der Mönch Hiltbrant zu nennen. Er ließ ein prächtiges Messbuch gestalten. Es ist heute, obwohl nur noch zur Hälfte vorhanden, der ganze Stolz der katholischen Kirchengemeinde. Besonders besorgt war er um die Ausstattung der Familienkapelle, die, zunächst zusammen mit der Handelsfamilie Weißhaupt, der Nordseite der Martinskirche zugefügt und 1473 geweiht wurde. Dieser Raum, als Familiengrablege gestiftet, legt noch heute mit seinen Grabplatten Zeugnis ab von der spätmittelalterlichen Frömmigkeit der Familie, wie auch die Brandenburgsche Kaplanei, die jahrhundertelang von der Familie finanziert worden ist. Das Kaplaneigebäude in der Museumstraße, 1673 vom Kloster Marchtal erworben, birgt bis zum heutigen Tage Kunstgegenstände, die auf die Mäzenatenrolle der Brandenburger hinweisen.

Während der Reformation sah sich die Familie in der zwinglianisch gewordenen Stadt vorübergehend in schroffe Abwehr gegenüber dem eigenen Gemeinwesen gedrängt. Im Zeichen der Reaktion nach dem Sieg Karls V. im Schmalkaldischen Krieg änderten sich die Verhältnisse. Bürgermeister Franz Brandenburg half die Herrschaft der altgläubigen Oligarchie neu zu befestigen. Sein Sohn Wilhelm, der erwähnte Klösterlebauherr, hatte die Genugtuung, dass bei seiner Hochzeit die alte Familienkapelle wieder zu Ehren kommen konnte. Ihm ist es zu danken, dass es gelang, die Rechte des Klosters Eberbach an unserer Martinskirche abzulösen. Auch sein Sohn Hieronymus II. war lange Zeit der erste Mann im Biberacher Staatswesen. Der Arkadengang, der jüngst auf dem katholischen Friedhof restauriert worden ist, entstand auf seine Veranlassung. Sein hochfahrender Sinn sah allerdings in den protestantischen Mitbürgern nur „rebellische Plebejer". Dafür musste er im hohen Alter noch die schwedische Besetzung Biberachs im Dreißigjährigen Krieg und den Beginn der Minderung seines Geschlechts erleben. Der letzte Bürger meister aus dem Hause Brandenburg starb 1655.



Das „Klösterle"

 

Der Innenraum der Brandenburg-Kapelle

   

Zum Schluss gehörte der Familie außer dem Kaplaneigebäude nur noch ein Haus in der heutigen Hindenburgstraße. Am meisten verknüpft mit dem Andenken der Brandenburg ist aber das markante Gebäude der „Eckmetzg", wo sie lange einen ihrer Hauptsitze hatten, gegenüber dem Stadthaus der Schad, mit denen sie rivalisierten. Hier schlug im 15. Jahrhundert das finanzielle Herz der Stadt. Geblieben ist die für Biberach typische Renaissance-Architektur.

Geblieben ist auch das „Brandenburger Kreuz", das als Zeichen der Versöhnung im Chorbogen der simultanen Stadtpfarrkirche h ängt. Es soll 1449 von Eberhard II. gestiftet worden sein. Franz Brandenburg ließ es 1510 erneuern und sorgte dafür, dass es während der Bildersturmzeit achtzehn Jahre lang in der Pfarrkirche Reichenbach gut aufgehoben war. Feierlich kam es 1549 zurück. Zur Zeit der Barockisierung erhielt es wiederum durch einen Brandenburger seine Rokokoverzierung. Heute ist es Blickfang des Chorbogens und Zeichen der Glaubenstreue einer selbstbewussten Familie durch viele Generationen hindurch.

Dieter Buttschardt
aus: Thomae Zeitung 6/7/1988, „Biberacher Patrizierfamilien" von Dieter Buttschardt
Fotos: Bär bei Egger
Mit freundlicher Genehmigung der Dr. Karl Thomae GmbH

 

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Letzte Aktualisierung: 27.05.2005